Blinder Flüchtling in Rottenburg im Kirchenasyl
Landshut/Rottenburg - "Wie ein Fisch im Aquarium, vor dem eine Katze sitzt", beschreibt Mheddin Saho seine gegenwärtige Situation. Er ist der Fisch, die Behörden die Katze. "Sie sehen mich, können mich aber nicht mitnehmen", sagt er.
Der blinde Syrer soll nach Spanien ausgewiesen werden. Doch Mheddin Saho fürchtet sich davor, in dem fremden Land auf sich allein gestellt zu sein. Hier in Deutschland ist das anders – liebevoll kümmern sich Gisela und Gerhard Zierer, seine "deutsche Familie", um ihn. Um nicht ausgewiesen zu werden, ist er nun seit Mittwoch im Kirchenasyl.
Behörden respektieren Kirchenasyl für Saho
Er ist vorübergehend in die Räumlichkeiten der Freien Evangelischen Gemeinde C-Punkt in Rottenburg eingezogen. Das sahen Mheddin Saho und seine Unterstützer als letzten Ausweg, um der Abschiebung zu entkommen. Die Behörden respektieren das Kirchenasyl und werden ihn nicht abholen.
Eigentlich war für Donnerstagmorgen ein Abschiebeflug nach Spanien für Mheddin Saho vorgesehen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat seinen Asylantrag abgelehnt, da es laut einer Stellungnahme "keine besonderen individuellen Härten" sieht.

Saho sollte schon einmal abgeschoben werden
Das Asylverfahren gemäß des Dublin-Verfahrens wird also nicht in Deutschland durchgeführt, sondern in Spanien, weil Saho dort zuerst europäischen Boden betreten hat. Das war bereits sein zweiter Abschiebeversuch.
Am 22. Juli standen vier Beamte der Polizeiinspektion Rottenburg mit einem Abschiebebefehl vor der Haustür. Im Flugzeug bekam Mheddin Saho jedoch Panik, sodass ihn der Pilot nicht mehr mitnehmen wollte. Daraufhin kam er kurzzeitig in Abschiebehaft in Eichstätt.
In Rottenburg fand Saho seine zweite Familie
Seit er von dort entlassen worden ist, hat er – bis zu seinem Einzug im Kirchenasyl – wieder bei den Zierers gewohnt. "Das ist meine deutsche Mama", sagt Mheddin Saho und legt einen Arm um Gisela Zierer. Sie und ihr Mann kümmern sich um den blinden Syrer. Im Juli haben sie ihn schließlich bei sich zu Hause aufgenommen.
Bei seinem Cousin konnte er nicht mehr bleiben, weil dieser oft für mehrere Tage beruflich unterwegs ist. In Rottenburg hat Mheddin Saho seine zweite Familie gefunden, hat Freunde und fühlt sich hier wohl. Da er Englisch studiert hat, gab er ehrenamtlich Nachhilfe. Er kann sich auch auf Deutsch schon recht gut verständigen.
Saho: Angst vor Abschiebung nach Spanien
Die selbstverständliche Hilfe im Alltag, die die Zierers ihm bieten, würde er in Spanien schmerzlich vermissen. Dort kennt er niemanden und wäre auf sich allein gestellt. Davor hat er Angst. Deswegen möchte er unbedingt in Deutschland bleiben.
Mheddin Saho hat viel über die Situation von Blinden in Spanien recherchiert. Dort gebe es für Blinde keine Hilfe von der Regierung. Zwar setzen sich Organisationen für diese Menschen ein – diese würden aber nur einheimischen Blinden helfen – Ausländern hingegen nicht, berichtet er.
Saho hat Studienplatz in München sicher
Mheddin Saho hat große Pläne für sein Leben, die er in Deutschland verwirklichen möchte. Es sei falsch zu denken, "weil ich blind bin, schaffe ich das nicht", sagt er.
Trotz Behinderung könne man beruflichen Erfolg haben. "Wir können es schaffen", macht er anderen Blinden Mut. Er hat bereits ein großes Berufsziel vor Augen. In der Türkei hat er Anglistik studiert. Im Oktober möchte er sein Masterstudium der Anglistik an der Ludwig-Maximilians-Universität in München beginnen. Einen Studienplatz hat er bereits.
Asylbewerber Saho: Zwischen Hoffen und Zukunftsangst
Langfristig möchte er in die Forschung gehen, möchte Lehrmethoden entwickeln, wie man Blinden am besten eine neue Sprache beibringen kann. "Damit könnte ich vielen anderen Blinden helfen", betont er. Doch ob er im Oktober mit seinem Studium beginnen kann, ist noch unklar.
Zwar ist Mheddin Saho durch das Kirchenasyl der Abschiebung vorerst entkommen – unklar ist jedoch, wie es für ihn weitergeht. "Der erste Kampf ist gewonnen, aber das ist noch nicht das Ende", beschreibt er seine Situation. Seine Gefühle schwanken zwischen Hoffnung und Zukunftsangst.
Die Frist, in der er nach Spanien abgeschoben werden kann, endet laut Gisela Zierer Ende September. Ist er bis dahin noch in Deutschland, muss er nicht mehr nach Spanien, und sein Asylantrag wird in Deutschland bearbeitet. Es könnte aber sein, dass die Behörden die Flucht ins Kirchenasyl als "untertauchen" werten – dann könnte die Abschiebefrist um ein Jahr verlängert werden.
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