Aufstand der Pendler

Flughafenmitarbeiter wollen die Airportlinie unbedingt behalten und sind sauer. Sie sagen: Warum etwas aufgeben, das so gut funktioniert?
Landshut - Was haben Zeitungs- und Tabakverkäufer, Fluglinienmitarbeiter, Sicherheitsdienstleister, Systemgastronomen, Putzkräfte und allerlei weiteres Servicepersonal gemeinsam? Sie alle halten nicht nur den Flughafen am Laufen, sie alle sitzen auch zur Frühschicht um kurz nach 3 Uhr im gleichen Bus.
Und in diesem Bus, genauer gesagt der Airportlinie Landshut-Flughafen München, ist die Stimmung derzeit ziemlich mau.
Das liegt aber nicht an der frühen Uhrzeit, in der die Pendler im Bus entspannt noch eine halbe Stunde die Augen schließen, sondern tatsächlich am Bus selbst. Der ist nicht unpünktlich, ganz im Gegenteil: Der Bus ist bei den Landshutern äußerst beliebt - und soll genau deshalb Ende dieses Jahres abgeschafft werden.
Wie bitte? Ja, genau: Die Bahn will nämlich, dass die Landshuter Pendler Ende dieses Jahres die neue Zugverbindung zum Münchner Flughafen (ÜFEX) nutzen. Die Bahn baut schließlich eine neue Flughafenlinie zwischen Regensburg über Landshut zum Airport, die Neufahrner Spange.
Ein neues Angebot schaffen kann eine sehr gute Idee sein. Keine gute Idee ist es dagegen, ein bereits etabliertes Angebot aufzugeben. Hört man sich unter den Landshuter Flughafenpendlern um, ist das die vorherrschende Meinung.
Wer um 4.30 Uhr Schichtbeginn hat, für den wird's eng
Das finden auch Zeitungsverkäuferin Heidi Pollner (55), Sicherheitspersonaler Stephan Wallner (46) und Duty-free-Shop-Verkäuferin Cornelia Zeilbeck (56), die im Namen für viele ihrer Flughafenkollegen auf das Thema aufmerksam machen wollen. Heidi Pollner: "Ohne den Bus wird uns etwas aufgezwungen und wieder ein Stück Selbstbestimmung genommen." Vor allem fühlen sich die Pendler im Stich gelassen. "Unterstützung bekommen wir ja keine. Uns wird immer gesagt, das wird schon", sagt Pollner.
Das sehen die drei aber nicht so: Für die Landshuter Pendler spielen vor allem die Faktoren Zeit, Komfort, Kosten, Sicherheit und Verlässlichkeit eine große Rolle.
Genau wie ihre Kollegen arbeiten sie im Schichtdienst, manchmal sechs Tage am Stück und sind bereits in aller Herrgottsfrühe auf die Airportlinie angewiesen. Die Schichten beginnen am Flughafen oftmals schon um 4.30 Uhr. Da morgens schon viel Betrieb am Flughafen ist, ist Pünktlichkeit gefragt. "Und der Bahn vertrauen wir da kein Stück", sagt Cornelia Zeilbeck, die 20 Jahre zwischen München und Landshut pendelte und viele Verspätungen in Kauf nehmen musste, bevor sie eine Arbeit am Flughafen annahm. Dass die Airportlinie nun aufgegeben werden soll, macht Zeilbeck wütend: "Ich habe langsam die Faxen dicke. Da wird es einem noch schwer gemacht, pünktlich zur Arbeit zu kommen."
Natürlich wäre da noch die Alternative Auto. Doch gibt es tatsächlich viele Schichtarbeiter am Flughafen, die nicht mal ein Auto besitzen. Denn: Viele Landshuter Pendler, die um 3 Uhr morgens im Bus sitzen, haben keine hochbezahlten Jobs mit Parkplatz vor dem Büro.
EU-Richtlinien bremsen Stadtwerke und deren Beteiligung aus
Ums Geld geht's auch für die Pendler, wenn man mal auf die Preise der Bahn schaut: Das Busticket der Airportlinie kostet sie derzeit 128 Euro im Monat. Bis ÜFEX zur Verfügung steht, ist die momentan günstigste Variante der Bahn mit dem Zug nach München zu fahren und dann weiter mit der S-Bahn zu Flughafen.
Das kostet im Jahresabo runtergerechnet 190,30 Euro pro Monat. Über Freising und weiter mit dem Bus (MVV) zum Flughafen, zahlt ein Pendler sogar knappe 225 Euro.
Die Bahn müsste also mit ihrem Tarif - ist die Neufahrner Spange fertig gebaut und der Bahnbetrieb zum Flughafen aufgenommen - mindestens 60 Euro mit dem Preis runtergehen, um ein vergleichbares Angebot schaffen zu können.
Bisher haben sich die Stadtwerke Landshut und ein privater Busunternehmer in Kooperation darum gekümmert, dass die Flughafenarbeiter auch schon in den frühen Morgenstunden pünktlich zur Arbeit kommen.
Die Stadt Landshut respektive die Stadtwerke werden sich 2019 nicht mehr an der Airport-Linie beteiligen können, da die Genehmigung dafür Ende 2018 ausläuft.
2019 tritt nämlich eine neue Richtlinie der Europäischen Union in Kraft, wonach nur maximal 20 Prozent der insgesamt gefahrenen Streckenkilometer außerhalb der Stadt liegen dürfen. Dieser Wert wird mit der Airportlinie aber deutlich überschritten.
Der Busunternehmer dagegen würde gerne die Linie weiter in Eigenregie weiter betreiben und hat dafür einen Antrag bei der Regierung von Niederbayern - in diesem Fall die Genehmigungsbehörde - abgegeben. Die Bahn will diese Konkurrenz zum neuen überregionalen Flughafenexpress hingegen nicht dulden.
Wie man dort zu einer Weiterführung des Flughafenbusses in Landshut steht, wird in einem Schreiben der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG) deutlich: Um den volkswirtschaftlichen Nutzen der Neufahrner Flughafenkurve und des neuen ÜFEX-Zugangebots voll zum Tragen zu bringen, spreche sich die BEG gegen eine Fortführung schienenparalleler Buslinien aus. Verminderte Einnahmen wären zudem mit Steuermitteln auszugleichen. Eine Einrede gegen den Antrag des Busunternehmers bestehe laut Regierung.
Ein Fahrplan gibt´s auch schon
Der Blick auf den Fahrplan macht den Pendlern bereits sorgen: Demnach wird der erste ÜFEX morgens um 3.18 Uhr in Regensburg losfahren, um 3.57 Uhr in Landshut halten und den Flughafen um 4.32 Uhr erreichen. "Das ist für viele zu spät oder setzt sie unter Stress", sagt Pollner, die froh ist, von der Zentralhaltestelle am Flughafen-Tower keinen weiten Weg zu ihrem Zeitungsgeschäft haben. "Ich habe etliche Kollegen, die müssen durch Sicherheitskontrollen oder weiter zu anderen Terminals fahren. Da ist man 20 bis 30 Minuten unterwegs. Und was ist, wenn sich die Bahn verspätet?"