Amtsgericht Landshut: Rentnerin muss ins Gefängnis - Chronik einer Selbstzerstörung
Landshut - Als Baby von der Mutter weggegeben, als Teenager von ihrem Pflegebruder sexuell missbraucht: Dass Maria M. (63) keine Speiseröhre mehr hat, liegt nicht an der Bulimie, welche die Rentnerin ihr Leben lang begleitet, sondern an der Salzsäure, die sie vor Jahren getrunken hat.
Damals dachte sie, die Grenze des Erträglichen sei erreicht. Jetzt steht M. vor dem Amtsgericht und zieht in ihrem letzten Wort die Bilanz ihres Lebens. Verteidiger Thomas Fauth hatte zuvor für seine Mandantin Diebstahl in zwei tatmehrheitlichen Fällen, in einem Fall mit Hausfriedensbruch, eingeräumt.
"Ich wollte nie jemandem weh tun", hatte Maria M. mit leiser Stimme hinzugefügt. Richterin Dr. Sandra Brenner verurteilt die 63-Jährige zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Dem Urteil liegt eine Verständigung zwischen den Verfahrensbeteiligten zugrunde. Dabei war M. für den Fall eines Geständnisses eine Freiheitsstrafe zwischen fünf und acht Monaten, ohne Bewährung, in Aussicht gestellt worden.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Rentnerin ins Gefängnis kommt. Der Diebstahl von Lebensmitteln und geringwertigen Sachen zieht sich durch das ganzes Leben von Maria M. Die erste Vorstrafe wegen Diebstahls erhielt sie 1983; mittlerweile umfasst ihr Vorstrafenregister 16 Eintragungen. Eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung verbot sich somit von selbst.
Maria M.: 13 Flaschen Bier eingesteckt, verteilt am Körper
Die angeklagten Diebstähle hatte Maria M. im Februar und im März dieses Jahres jeweils in einem Supermarkt am Rennweg begangen – für die Verkäuferinnen dort ist sie schon eine "alte Bekannte". Am 18. März wollte M. mit drei Flaschen Wein und zehn Tafeln Schokolade – ohne zu bezahlen – durch die Kasse. Da hatte die 63-Jährige bereits Hausverbot.
Einen grotesken Anblick muss M. einen Monat zuvor geboten haben. Am 23. Februar hatte sie tatsächlich 13 Flaschen Bier zu je 0,5 Liter eingesteckt, verteilt über ihren mageren Körper. In den Hosenbund habe sie Flaschen gesteckt, in die Socken und in den Ausschnitt, sagt M. vor Gericht. Zudem habe sie eine Kittelschürze und eine Jacke getragen, deren Taschen sie ebenfalls vollgestopft habe. Eine Verkäuferin beobachtete, wie sie etwas einsteckte und sprach sie an. Allerdings, so die Zeugin, wäre der Diebstahl spätestens im Kassenbereich bemerkt worden: "Da hat es ja bei jedem Schritt geklirrt."
Verteidiger Fauth: "Maria M. ist austherapiert"
Seine Mandantin sei durch den sexuellen Missbrauch als Teenager traumatisiert worden, sagt Verteidiger Fauth. Zudem leide sie an einer chronischen Essstörung, mit der der Zwang einhergehe, Diebstähle zu begehen. "Das kann man schon als Beschaffungskriminalität bezeichnen."
Fauth zufolge gilt M. als austherapiert. Sie wurde von psychiatrischer Einrichtung zu psychiatrischer Einrichtung gereicht. Derzeit lebt sie in einem Pflegeheim in der Innenstadt. Wegen der traumatischen Erlebnisse und der chronischen Essstörung gingen die Verfahrensbeteiligten von einer eingeschränkten Schuldfähigkeit bei Maria M. aus, was zu einer Strafmilderung führte.
Zudem wurde der gelernten Apothekenhelferin neben dem vollumfänglichen Geständnis zugute gehalten, dass kein bleibender Schaden entstanden war und es sich jeweils um Diebesgut von geringem Wert gehandelt hat. Dennoch stand von Anfang an fest, dass M. erneut in die Frauenabteilung der Justizvollzugsanstalt Stadelheim kommt, da wegen der Vorstrafen keine positive Sozialprognose möglich war.
Für Fauth ist der Weg ins Gefängnis vielleicht eine Rettung: Dort habe ein Ärzteteam rund um die Uhr ein Auge auf Maria M.
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