Allein im Wald und in Landshut zu Gast: Der Woid Woife
Landshut - Der Woid Woife (43) ist so oft im Wald unterwegs, dass er Dinge weiß, die der durchschnittliche Spaziergänger nicht zu seinem Basis-Wissen zählt. Eine "Wuidsau", so erzählt der Woid Woife, riecht nämlich nach Maggi. Nach dem braunen, klassischen Würzmittel, genau. "Wenn es im Wald nach Maggi riecht, ist es besser, wenn man in die andere Richtung geht. Da wäre ich vorsichtig."
Sagt der Woife in feinstem Dialekt – sein Bairisch ist so breit und groß wie er selber. Der Woife, ehemaliger Bodybuilder, überragt die meisten Menschen. Er ist einer, der sich nicht verstellen mag. Der sich noch nie verstellen wollte, noch nie das gemacht hat, was die anderen gemacht haben. "Das war mir immer wurscht", sagt er.
Er trägt immer noch das, was er immer getragen hat: Cargo-Hose, kariertes Hemd, Fleecejacke, manchmal einen Trachtenjanker, dazu einen grünen Filzhut. Er will sich nicht in einen Anzug zwängen, wenn er bei Talkshows eingeladen ist. Und da ist er momentan oft eingeladen. Er pendelt nach Hamburg, nach Düsseldorf, nach München. Weil die Leute wissen wollen, wieso der Woid Woife eigentlich lieber draußen in der Natur ist, in seinem Bauwagen. Dort, wo er im vergangenen Jahr 64 verletzte oder verlassene Tiere – Eichhörnchen, Sperber, Feldhasen – hochgepäppelt hat.

Woid Woife: Den Wald erleben, Tiere erspüren
Im vollgepackten Bauwagen mit Hirschfußmatte hängen und sitzen ausgestopfte Vögel, Eichhörnchen, auf dem Regal steht ein Blutwurz, an der Wand hängen Bilder und Fotos, die Kinder dem Woife geschenkt haben. Es stinkt ein bisschen muffig nach altem Tier, im Eck hängt ein ausgestopfter, ausgebleichter Vogel von 1920. Die grauen, staubigen Spinnweben putzt der Woife nicht weg.
"Die gehören auch zur Natur", sagt er und stupst eine alte Spinnenhülle an. Der Woid Woife – er hat sich vor Jahren den Namen selber auf Facebook gegeben, weil er nicht mit seinem echten Namen Wolfgang Schreil dort vorkommen wollte – lebt mit seiner Frau in Bodenmais; wo er, der gelernte Kfz-Mechaniker ("Ich war der schlechteste Kfz-Mechaniker überhaupt"), lange als Totengräber gearbeitet hat. Er hat Löcher gegraben und nicht nur einen Bandscheibenvorfall gekriegt.
Seit März macht er aber nur noch das, was ihn "wirklich interessiert": Den Wald erleben, Tiere erspüren, Natur schützen, Wanderungen für Touristen anbieten und Kindern erklären, was der Unterschied zwischen einem Sperber und einem Falken ist. Schreil ist jeden Tag im Wald, in seinem Bauwagen, der unter 15 Meter hohen Bäumen steht. Manchmal ist ein Freund dabei, wenn es kalt ist im Wagen, heizen sie ein. Dann kann es schon mal "bierig" werden. Sagt der Woife.

Woid Woife: Tiere sollen wild bleiben
Von oben pfeift es plötzlich. "Das war der Specht." Ein bisschen sauer ist der Vogel wohl, weil er nicht zum Futter am Bauwagen kann. Vorher hat der Woife noch ein paar Walnüsse für die Eichhörnchen ausgestreut. Er verteilt zwar Futter; will aber nicht, dass die Tiere zahm werden. "Sie sind wild. Und das sollen sie bleiben."
Auch dann, wenn er sie mit der Hand hochgezogen hat. Auch dann, wenn sie in der Brusttasche seines Hemds groß geworden sind. Sie sollen dort ihr erwachsenes Leben bestreiten, wo sie hingehören: zwischen Büsche, Bäume, Sträucher. Wenn sie dann gefressen werden – dann ist das halt Natur. Sagt auch der Woife.
Er fährt mit seinem grünen, alten Audi holpernd zu seinem Bauwagen, aber auch zu Ausgangsplätzen für seine Wanderungen. Er parkt da, wo die anderen parken. Aber dann streift er am Fuß des Arbers und am Rachel abseits der Touristenwege.

Allein im Wald – das geht ganz einfach abseits der Wege
"Wenn man nur 50 oder 100 Meter weit weg von den normalen Wegen geht, dann findet einen keiner mehr. Das ist ein riesiges Gebiet. Dann hat man Ruhe für sich selber", sagt Schreil. Wieso er die Zeit für das alles hat? Weil er sich die Zeit dafür nimmt. Die Zeit, von der manche – ja viele – sagen, sie hätten sie nicht.
"Aber jeder hat Zeit. Jeder kann in den Wald gehen. In die Natur. Sich einfach mal hinsetzen, abseits von den Biergärten, von den Wanderwegen. Man muss dahin gehen, wo sonst keiner ist. 99 Prozent vom Wald sind staad, urig", sagt der Woife. Aber die meisten wollten es gar nicht mehr ruhig. "Manche kommen von Bodenmais nach Berlin. Und dann sitzen sie im Biergarten neben der Straße."
Oft schreiben ihm die Leute. Auf Facebook. In Mails. Sie finden toll, was er macht, allen voran seine Naturfotos. "Aber das können die ja genauso. Einen Sonnenuntergang fotografieren zum Beispiel."
Bei der Hirschbrunft, die er im Herbst so sehr liebt, sei es schwieriger; das gibt er zu. Da hat auch er tagelang gewartet, bis er einen Rothirsch zu sehen und vor seine Kameralinse bekam. Die Bilder davon hängen in seiner Küche – auf sie ist er stolz. Unter den Bildern schleichen seine Katzen Wilma und Xaver herum, Hund Else – eine schwarze französische Bulldogge – darf oft mit in den Wald.
Der Wald ist für Woid Woife "eine weiche Decke"
Was den Woife nervt: Wenn jemand Fakten nicht glauben mag – oder kann. Früher hätte er stundenlang diskutiert; jetzt dreht er sich um und geht. In den Wald. Von Sinnlosigkeiten hält der Woife nicht mehr viel mit seinen 43 Jahren. Von was er auch nichts mehr hält: Dass sich jeder unfassbar wichtig nimmt und jeder sich beeinflussen lässt. Von der Werbung zum Beispiel.
Und auch von Handys. "Manche regen sich schon auf, wenn sie kein WLAN im Lokal haben. Aber wer braucht denn immer WLAN? Wer muss denn immer erreichbar sein? Nicht mal Bundeskanzlerin Angela Merkel muss das", sagt der Woife.
Immer, wenn es ihm früher nicht gut ging, marschierte der Woife in den Wald. In das Gebiet, das sich "wie eine weiche Decke" über ihn gebreitet hat. Er erkannte dort, zwischen den Bäumen, dass die Probleme der Menschen ganz andere sind als die der Natur.
Dass Geld, Gerede, Luxus, Ruhm, Reichtum, Macht, Böse und Gut dort gar nichts zählen. Sich vielmehr alles um die Gesetze des Instinks dreht, um das Jetzt, den Moment und das Überleben. "Ich verstehe die Tiere. Sie machen alles aus einem bestimmten Grund. Was bei den Menschen nicht so ist. Der Mensch könnte zum Beispiel manchmal Erbarmen zeigen – macht es aber trotzdem nicht. Und das verstehe ich nicht."
Der momentane Natur-Tipp vom Woife lautet übrigens: Kleinen Vögeln beim Nisten zuschauen, ihnen beim Zwitschern zuhören. Gerade sei so viel los bei den Tieren, das könne jeder beobachten. „Dann schau ich halt einfach nicht auf die Straße, sondern daneben den Vögeln beim Nisten zu. Da geht ziemlich viel. Auch vor der eigenen Haustür.“
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Der Woid Woife kommt am Donnerstag, 9. Mai, um 19.30 Uhr zu Bücher Pustet in die Altstadt 28 und stellt sein neues Buch "Mein Leben im Wald" vor. Karten für sechs Euro (vier Euro ermäßigt) gibt es bei Bücher Pustet unter Telefon 0871/9658550.