Alfons Hämmerl im Interview: Söders Kreuz-Verordnung "vergiftetes Angebot"

Landshut - Bereits am Aschermittwoch hatte er es angekündigt, am Dienstag verkündete Ministerpräsident Markus Söder schließlich, dass ab 1. Juni im Eingangsbereich aller bayerischen Behörden ein Kreuz hängen werde. Die Reaktionen sind vielschichtig. Neben Zustimmung gibt es auch harsche Kritik.
Im AZ-Interview spricht Alfons Hämmerl, katholischer Seelsorger der Hochschule Landshut, über seine Bedenken hinsichtlich der neuen Kreuz-Verordnung.
AZ: Herr Hämmerl, Ministerpräsident Söder meinte, dass das Kreuz kein Zeichen einer Religion sei, sondern ein "grundlegendes Symbol der kulturellen Identität christlich-abendländischer Prägung". Was sagen Sie als Theologe dazu?
Alfons Hämmerl: Mich irritiert die Unverblümtheit des Ministerpräsidenten. Aus meiner theologisch geprägten Sicht wird hier das Kreuz für politische Zwecke missbraucht. Das Ganze ist zudem ein vergiftetes Angebot an die christliche Gemeinschaft. Natürlich können wir nichts dagegen haben, dass ein Kreuz aufgehängt wird. In diesem Fall ist aber das Schwierige: Das Kreuz wird hier als Feldzeichen missbraucht. Im Sinne von: Wir markieren hier unser Revier.
Kritiker fühlen sich an den Geist der Kreuzzüge erinnert. Geht das nicht zu weit?
Ich möchte nicht behaupten, dass Herr Söder einen Kreuzzug führt. Aber ich kann nicht verhehlen, dass sein Manöver fatal in diese Richtung geht. Es geht hier um nichts anderes als darum, den öffentlichen Raum zu markieren. Mia san mia mit Kreuz.
Im Audimax der Hochschule hängt auch ein Kreuz. Wo ist da der Unterschied?
Der Unterschied ist der, dass das Kreuz im Audimax keinen ausgrenzenden Charakter haben soll, wiewohl mir klar ist, dass es Leute gibt, die auch am Kreuz im Audimax Anstoß nehmen. Ich habe das Kreuz zur Einweihung des Audimax 2003 selbst dort aufgehängt, weil es im Zusammenhang mit Hochschule nur noch um Effizienz und Maximierung ging. Mit dem Kreuz wollte ich daran erinnern, dass es im Leben noch etwas anderes als Leistung gibt, etwas, das nicht aufgeht, etwas das das Leben "durchkreuzt", aber auch zum Menschsein gehört. Diese Konnotation macht den Unterschied. Das Kreuz im Audimax markiert kein Revier.
Mit ihren Ausführungen sind Sie auf einer Linie mit dem evangelischen Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, der kürzlich meinte, dass es nicht ausreiche, Kreuze an die Wand zu hängen, sie müssten auch im Herzen sein...
Das kann ich absolut unterstreichen. Kardinal Marx ist im Übrigen derselben Meinung. Im Grunde müsste man also sagen: Bitte hänge kein Kreuz dort auf, wo deine Werte ganz andere sind. Die christlichen Werte haben etwas damit zu tun, dass es eben gerade nicht darum geht, sich zu behaupten. Das große gültige christliche Prinzip lässt sich mit einem Wort zusammenfassen: Liebe. Das steht aller Ausgrenzung entgegen. Das Kreuz ist kein Siegeszeichen, sondern nichts anderes als ein Zeichen dafür, dass einer sein Leben für andere gelebt hat. Bis in den Tod. Wenn man aber nicht bereit ist, sich an die christlichen Werte zu halten, dann wird das Aufhängen eines Kreuzes zur Blasphemie. Und christliche Werte kann ich hinter diesem Manöver mit den Kreuzen in den Behörden beim besten Willen nicht erkennen.
Die Hochschule ist von der neuen Regelung auch betroffen...
...und ich bin mir immer mehr darüber im Klaren, wie das Christliche im säkularen Raum wie dem einer Hochschule zu seinem Recht kommen kann. Ich glaube nämlich nicht, dass nichts Religiöses im säkularen Raum sichtbar sein darf. Das ist meiner Meinung nach eine naive Haltung. Vielmehr sollte jeder mit seinen religiösen Überzeugungen sichtbar sein dürfen. Jeder. Da geht es um Dialoge. Und wir werden uns im Rahmen der katholischen Hochschulgemeinde auch mit dieser Frage auseinander setzen.
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