Alexander Fries und sein neues Leben: "Irgendwo ist immer ein Weg"

Die Ärzte sagten ihm, er könne nie mehr laufen - jetzt trainiert er andere Menschen.
von  Kerstin Petri
Alexander Fries war 27, als sich sein Leben schlagartig änderte.
Alexander Fries war 27, als sich sein Leben schlagartig änderte. © Christine Vincon

Landshut - Manchmal kann ein Moment alles verändern. Alexander Fries war 27, als sich sein Leben schlagartig änderte. Nach einem Unfall landete er im Rollstuhl. Die Ärzte gaben ihm wenig Hoffnung, wieder laufen zu können. Und doch hat er es geschafft und steht heute - acht Jahre später - wieder mit beiden Beinen im Leben.

Der Unfall ereignete sich während seiner Dienstzeit als Soldat. Mit 17 Jahren verpflichtete sich der gebürtige Landshuter zunächst für acht, später für zwölf Jahre bei der Bundeswehr als Zeitsoldat und machte dort eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Damit folgte er dem Wunsch seines Vaters, der selbst bei der Bundeswehr war und immer gesagt hat: "Wenn du was aus dir machen willst, dann geh zur Bundeswehr." Erlebt hat der Vater das nicht mehr; er ist gestorben, als Alexander Fries 14 Jahre alt war. Seine Mutter war plötzlich mit vier Kindern alleine. "Man hat früh gelernt, sich durchzubeißen", sagt der heute 35-Jährige.

Tragischer Unfall im April 2012

Die Zeit bei der Bundeswehr war eine der schönsten in seinem Leben, sagt Fries. Die Grundausbildung hat er in Hemau bei Regensburg absolviert, dann ging es für ihn nach München, von dort aus ist die Kompanie nach Mittenwald (Kreis Garmisch-Partenkirchen) umgezogen, wo Fries bis zum Ende seiner Dienstzeit stationiert war.

Es war im April 2012, als der Unfall passierte. Was genau sich zugetragen hat, darüber darf Fries nicht sprechen, da er als Soldat eine Verschwiegenheitsklausel unterschrieben hat. Aufgewacht ist er auf der Intensivstation der Murnauer Unfallklinik. Er wollte seine Füße bewegen, es ging nicht. "Da habe ich erst einmal geweint." Beide Fersenbeine waren komplett zertrümmert und der dritte Lendenwirbel war gebrochen. Die Ärzte hätten ihm deutlich gesagt, dass es nicht sicher sei, ob er jemals wieder laufen könne. "Ich war geschockt", erinnert sich Fries.

Anfangs konnte er auch nicht operiert werden, "weil die Füße so kaputt und geschwollen waren", wie Fries sagt. "Der Lendenwirbel war so blöd weggebrochen, mir wurde gesagt, eine falsche Bewegung und dann war's das." Während dieser schweren Zeit an seiner Seite waren seine Familie, Freunde und Kameraden. "Von ihnen habe ich ganz viel Unterstützung bekommen." Diese gab ihm die Kraft, zu kämpfen. "Ich hab gesagt, ich werde alles dafür tun, wieder gehen zu können." In der Unfallklinik habe er noch viel schlimmere Schicksale gesehen, die auch nicht aufgegeben haben.

Alexander Fries über sein Schlüsselerlebnis in der Reha

Fries begann mit Krafttraining. Sein Ziel: "Im Alltag klarkommen, auch wenn ich nicht mehr laufen kann." Die Unfallklinik in Murnau hat er im Rollstuhl verlassen. Kurze Zeit später ging es für ihn auf Reha in die Fachklinik Bad Heilbrunn. Bei der Einstellungsuntersuchung hatte er ein Schlüsselerlebnis.

Eine Ärztin frage ihn nach seinem persönlichen Ziel für die Reha. Fries antwortete, er wolle das Gebäude auf eigenen Füßen verlassen. "Sie hat bloß gelacht", sagt Fries. "Und dann habe ich mir gedacht, dir zeige ich es. Auslachen lasse ich mich nicht."

Mit Krafttraining kämpfte sich der ehemalige Bundeswehr-Soldat wieder zurück.
Mit Krafttraining kämpfte sich der ehemalige Bundeswehr-Soldat wieder zurück. © Fries

Der 35-Jährige gibt zu, kein einfacher Patient gewesen zu sein. Drei Therapeutinnen habe er vergrault. Dann hat er einen ehemaligen Soldaten als Therapeuten bekommen, mit dem er auf einer Wellenlänge war und der ihn richtig gefordert hat. "Er hat viel dazu beigetragen, meinem Ziel näher zu rücken." Von ihm hat Fries gelernt, auf seinen Körper zu hören und ein Gespür dafür zu entwickeln, was er sich zutrauen kann.

Nach der Reha keine Zukunft bei der Bundeswehr

Ende August verließ Alexander Fries das Klinikgebäude mit seinen Krücken in der Hand, den Rollstuhl schob er vor sich her. "Zwar nur bis zum Auto meines Bruders", sagt er, "aber ich habe mein Ziel erreicht." Sein Gefühl: unbeschreiblich. "Man ist auf sich selber stolz und empfindet eine große Dankbarkeit für die Leute, die in der Zeit an einen geglaubt haben und für einen da waren." Danach war er bei längeren Strecken noch einige Zeit auf den Rollstuhl angewiesen.

Seinen ursprünglichen Plan, bei der Bundeswehr zu verlängern, musste er aufgeben. "Weil ich gemerkt habe, dass das in dem Zustand nicht machbar ist." Er blieb noch so lange im Innendienst, bis seine Verletzungen verheilt waren. Im Anschluss holte er an der Bundeswehrfachschule in München sein Fachabitur in Sozialpädagogik nach. Fries wollte im sozialen Bereich arbeiten, "um etwas zurückzugeben", wie er sagt. Während seiner Krankenhauszeit wurde er sich klar darüber, "dass es mir mehr wert ist, Menschen helfen zu können, als etwas zu produzieren".

Alexander Fries: Seit drei Jahren Pfleger

Seine erste Berufserfahrung im sozialen Bereich machte Fries im Haus Regenbogen der Lebenshilfe Landshut, einer Einrichtung für schwerst- und mehrfachbehinderte Menschen. "Ich wollte es mir nur anschauen und bin nicht mehr weggegangen." An seinem ersten Arbeitstag kam eine Bewohnerin auf Fries zu und nahm ihn in den Arm. "Die stellvertretende Heimleitung hat zu mir gesagt, das ist komisch, weil die Frau Fremde sonst gar nicht an sich ranlässt." Da wusste er, "hier gehöre ich hin".

Seit drei Jahren arbeitet Fries nun in der Einrichtung als Pfleger. Es ist kein einfacher Beruf, das gibt er zu, "aber sehr schön", wie er sagt. "Man bekommt von den Menschen so viel zurück und man kann von ihnen so viel lernen." Nämlich, die kleinen Dinge zu schätzen.

Alexander Fries: "Geht nicht gibt's nicht"

Fries sagt, er ist heute wieder vollkommen gesund. Das merke er vor allem an seiner Leistung beim Trainieren. Er ist Mitglied in einem Fitnessstudio in Ergolding und unterstützt dort andere Trainierende, ihre Ziele zu erreichen, und gibt das weiter, was er aus eigener Erfahrung gelernt oder beigebracht bekommen hat.

Der Unfall hat ihn verändert, sagt Fries. Er sei ein anderer Mensch geworden. "Ich bin viel dankbarer und es hat meine Familie zusammengeschweißt. Egal was ist, man kann sich zu hundert Prozent aufeinander verlassen."

Was bleibt, ist die Erfahrung, die Alexander Fries gemacht hat: "Geht nicht gibt's nicht. Irgendwo ist immer ein Weg." Und diese Erfahrung möchte er nun an andere weitergeben.

 

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