Landräte schlagen Alarm: Kein Platz mehr für Geflüchtete: "Es lässt verzweifeln"

In allen Teilen des Freistaats schlagen Landräte Alarm: Es gebe keinen Platz mehr für Geflüchtete. Auch der Innenminister ist sauer.
Ralf Müller, Ruth Schormann |
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Geflüchtete Menschen aus der Ukraine betreten eine Notunterkunft. Immer wieder müssen derzeit auch Turnhallen zu Unterkünften umfunktioniert werden, weil Landkreise keinen Wohnraum finden.
Geflüchtete Menschen aus der Ukraine betreten eine Notunterkunft. Immer wieder müssen derzeit auch Turnhallen zu Unterkünften umfunktioniert werden, weil Landkreise keinen Wohnraum finden. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Bayern - Bayerns Landräte wissen nicht weiter: Aus allen Ecken des Freistaats ist zu vernehmen, dass die Landkreise ihre Kapazitätsgrenzen erreichen, was die Unterbringung von Geflüchteten angeht. "Der Freistaat Bayern befindet sich insgesamt im Hinblick auf die Unterbringung von Asylbewerbern an der Belastungsgrenze", teilt auch das bayerische Innenministerium der AZ gestern mit. Über 200.000 Geflüchtete aus der Ukraine seien Bayern bislang laut Innenministerium zugeteilt worden.

50 ukrainische Flüchtlinge pro Woche

Besonders schlimm soll es in Schwaben sein. Angela Brenner vom Landratsamt Günzburg teilt der AZ beispielsweise mit, man müsse mit rund 50 ukrainischen Flüchtlingen pro Woche rechnen. Dazu kämen Zuweisungen von Personen im laufenden Asylverfahren: Im Januar seien das bislang 60 gewesen. Brenner sagt: "Aktuell verfügen wir noch über ein paar freie Plätze", 31 dezentrale Unterkünfte gibt es im Landkreis. Doch: "Sollten wir künftig wirklich jede Woche etwa 50 Ukrainer und 20 Asylbewerber zugewiesen bekommen, so werden die vorhandenen Kapazitäten innerhalb kürzester Zeit aufgebraucht sein."

Das Landratsamt sei daher ständig auf der Suche nach weiteren Asylunterkünften. Das ist überall der Fall. In Niederbayern wird wegen mangelnden Wohnraums geplant, 200 Geflüchtete auf einem Hotelschiff unterzubringen - Anwohner der kleinen Gemeinde Bach sind skeptisch, wie der 2.000-Seelen-Ort diesen Zuzug verkraften soll.

"Es gibt dringend Handlungsbedarf"

In Oberbayern ist die Lage ebenfalls angespannt: "Es gibt dringenden Handlungsbedarf!", teilt etwa der Landkreis Dachau vor wenigen Tagen zum Thema Asyl mit. Und: "Die vorhandenen Unterkünfte sind nahezu vollständig belegt." Es brauche aber, so sagte Bürgermeister Harald Dirlenbach aus Vierkirchen bei einem "Runden Tisch", auch Wohnungen, ehrenamtliche Helferkreise, Betreuungs- und Arbeitsplätze sowie Sprachkurse.

Im Landkreis Miesbach ist ebenfalls von 50 Geflüchteten pro Woche die Rede - es seien aber auch schon einmal 100 gewesen. "Mitte Januar 2023 waren 1.133 Geflüchtete aus der Ukraine sowie 729 aus dem Bereich Asyl im Landkreis untergebracht. Vor der Ukraine-Krise lebten 382 Asylsuchende im Landkreis", heißt es vom dortigen Landratsamt. Landrat Olaf von Löwis habe bereits mehrfach kommuniziert, dass die Aufnahmekapazitäten erschöpft seien. Die Regierung von Oberbayern wisse das.

"Helfen kann uns keiner"

"Die Kommunikation zwischen den Behörden ist gut, wir werden auch ernst genommen. Aber helfen kann uns trotzdem keiner", sagt dazu Miesbachs Landrat Olaf von Löwis der AZ. "Es lässt einen verzweifeln", sagt er, die Turnhalle des Tegernseer Gymnasiums sei bald voll. Weitere Unterkünfte? Fehlanzeige. "Wir sind sehr kreativ, aber wir haben nicht viel", sagt von Löwis. Man müsse den "Flüchtlingsstrom minimieren", meint er, "es endet ja nicht". Hinzu kämen strenge Vorschriften, die manche leerstehende Unterkunft unbrauchbar werden lassen, Stichwort Brandschutz. Und: "Die Lage ist wesentlich dramatischer als 2015/2016", sagt von Löwis der AZ.

Robert Stangl, Sprecher im Landratsamt Freising, kann dagegen noch ganz gute Nachrichten vermelden: "Es ist eine Herausforderung, aber wir sind bisher relativ gut durchgekommen", sagt er gestern der AZ. Eine Turnhalle sei mittlerweile wieder frei. Das geschlossene Impfzentrum könne jetzt als Unterkunft dienen. Außerdem werde in Hallbergmoos ein ehemaliges Bürogebäude umgebaut, in dem bis zu 250 Menschen wohnen könnten.

Berlin ignoriert Unterbringungsprobleme

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat die Ausländer- und Einwanderungspolitik der Bundesregierung scharf kritisiert. Die steigenden Flüchtlingszahlen und die Probleme bei der Unterbringung würden von Berlin einfach ignoriert. Er verwies auf Äußerungen des Miltenberger Landrats Jens Marco Scherf, wonach in seinem unterfränkischen Landkreis kein Platz mehr verfügbar sei. "Es läuft einfach alles so weiter", sagte Herrmann. Die Politik der Bundesregierung führe zu Problemen, die "Monat für Monat weiter zunehmen". Nach wie vor könnten weit über die Hälfte der kommenden Asylsuchenden keine Asylgründe nachweisen. Entgegen der Ankündigungen sei keine verstärkte Rückführung dieser Ausländer feststellbar.

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Bayern hat 2022 nach Angaben Herrmanns 2.046 Ausländer abgeschoben. Das waren mehr als 2020 und 2021, aber weniger als vor Corona (2019: 3.500). Weitere 24.500 seien freiwillig ausgereist. Herrmann sagte auch: Die Arbeitslosenquote unter den in Bayern lebenden Ausländern liege bei 8,1 Prozent gegenüber 14,7 Prozent im Bundesdurchschnitt. Sie sei die niedrigste in ganz Deutschland.

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3 Kommentare
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  • SL am 25.01.2023 17:19 Uhr / Bewertung:

    Man muss eben Platz schaffen. In Bach (Gemeinde bei Regensburg) ankert man nun ein ehemaliges Donau-Passagierschiff Prinzesse und bringt auf dem Schiff 200 Schutzsuchende unter. Die Dorfbevölkerung in Bach ist sehr kooperativ und freut sich auf die Gäste.

  • loewenhund am 25.01.2023 16:47 Uhr / Bewertung:

    warum wendet sich niemand an die kirche die hat jede menge ungenutzte aber voll möblietrte gebäude die wären doch gut geeignet und wären sicher menschlicher zum wohnen wie turnhallen

  • Himbeergselchts am 26.01.2023 14:59 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von loewenhund

    Das hat unser Abteilungsleiter bereits 2016 getan. 68 Kirchen/Pfarrhäuser teilweise leer stehend. Aber leider leider - war die Raumaufteilung zu ungünstig oder aus anderen Gründen kein Platz. Zu Weihnachten stand dann in der kommunalen Presse, dass die herzlosen Bürger den Armen keine Herberge geben. Insbesondere Faeser ignoriert brutale Straftaten von Migranten und läßt bei grausamen „Ereignissen“ wie gestern im Zug ihre übliche Betroffenheit raus, wahlweise Entsetzen, Betroffenheit und ihre Gedanken sind bei den Opfern und Angehörigen. Abschiebungen von vergewaltigern von Kindern verhindert sie. Zu gefährlich. Und wer Wohnraum, Lehrer, Erzieher, Dolmetscher, Sozialarbeiter etc. auftreiben muss ist ihr egal. Dass Schweden sich mit kriminellen Jugendgangs herumschlagen muss ist ihr auch wurscht. Sie kann das und sie schafft das. Also, sie vergibt die Aufträge. Tun müssen es Andere.

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