Ladenschluss ade! Bayern erlaubt Einkauf rund um die Uhr

München - Es sind gerade einmal elf Zeilen im Kabinettsbericht von Dienstag. Aber die haben es in sich – und bringen den nahezu als heilig gehandhabten strengen Ladenschluss im Freistaat ins Wanken.
Zur Erinnerung: 2006 wurde der Ladenschlussgesetz Ländersache. Alle Bundesländer gehen seither liberale Sonderwege in Sachen Öffnungszeiten – bloß Bayern klammert sich weiter an das alte Bundesladenschlussgesetz, das Öffnungen nur von 6 bis 20 Uhr von Montag bis Samstag erlaubt.
"Digitale Kleinstsupermärkte" dürfen nun rund um die Uhr öffnen
Doch nun dürfen im Freistaat laut Kabinettsbeschluss "digitale Kleinstsupermärkte" mit einer Verkaufsfläche von bis zu 100 Quadratmetern künftig an jedem Werktag rund um die Uhr öffnen, "also von Montag bis Samstag außer an Feiertagen", heißt es da.
Digitale Kleinstsupermärkte? Vollsortiment-Supermärkte ohne Verkaufspersonal. Das bedeutet, die Kunden erledigen ihre Einkäufe wie in einem herkömmlichen Supermarkt, scannen und bezahlen die Waren am Ende aber eigenständig – und das ohne Ladenschluss.
Handelsverbandssprecher ist skeptisch
Und, kann so ein Konzept mit digitalen Vollsortimentern funktionieren? Und den ländlichen Raum, wie vom bayerischen Kabinett erhofft, stärken? Bernd Ohlmann, Sprecher des Handelsverbandes Bayern, ist skeptisch. Sehr skeptisch: "Dieses Konzept kann ich mir nur an hochfrequentierten Lagen vorstellen", so Ohlmann auf Anfrage zur AZ, "sonst funktioniert das nicht." Hochfrequentierte Lagen? Klingt so gar nicht nach "ländlichem Raum". Für Ohlmann steht jetzt schon fest: "Das funktioniert nur in Großstädten, auf dem Land kann ich es mir nicht vorstellen."

Die neuen digitalen Vollsortimenter müssten ja frische Ware anbieten, sich um Kühl-Logistik und Lieferungen kümmern – "das kostet alles Geld". Weshalb Ohlmann auch skeptisch ist, ob die neuen Digi-Läden tatsächlich die ja längst vorhandenen Lücken bei der Nahversorgung im ländlichen Bereich lösen werden. Gerade auf dem Land geht es ja auch um persönlichen Kontakt, um den Ratsch – in einem Laden ohne Personal eher wenig denkbar. Ohlmann sieht hier ein "großes Fragezeichen".
Dass das Ganze aber eine erste Kerbe im alten bayerischen Ladenschlussgesetz ist, steht außer Frage. "Ein längst überfälliger Schritt" für den Handelsverbandssprecher, an das Ladenschlussgesetz als Ganzes wage sich die CSU ja ohnehin nicht heran. Immer noch nicht.
Bislang gibt es noch keinen digitalen Supermarkt in Bayern
Noch gibt es keinen einzigen Digi-Vollsortimenter in Bayern, bestätigte ein Sprecher des Arbeitsministeriums am Dienstag der AZ. Der erste steht jedoch in den Startlöchern: In der oberpfälzischen Gemeinde Altenthann (1.600 Einwohner) soll im Herbst der erste digitale Supermarkt eröffnen – mit Hilfe einer 40-prozentigen Förderung aus EU-Mitteln. Nicht nur Verbandssprecher Bernd Ohlmann ist bereits neugierig: "Ich bin gespannt, wie das Ganze konkret ausgestaltet wird."
Digitale Supermärkte: Bargeldlos bezahlen per Karte oder App

Kleine Supermärkte, die ohne Personal und Kasse auskommen? Was in Bayern wie Zukunftsmusik klingt, ist andernorts (wo die Ladenschlussbestimmungen jetzt schon andere sind als bei uns) längst Realität geworden. Die Handelskette Tegut, die auch in München bereits vertreten ist, hat schon drei Minimärkte ohne Verkaufspersonal in Betrieb genommen – im Großraum Fulda in Hessen.
Hier muss der Kunde zunächst eine App installieren, mit der er die Türe des "Teo" genannten Geschäfts öffnen kann. Im Laden kann er dann die Ware selber aus dem Regal nehmen und scannen. Das Bezahlen erfolgt per Karte oder App.

Eine Teo-Filiale könne auch dort Erfolg haben, wo klassische Vertriebskonzepte wie Supermärkte wirtschaftlich nicht sinnvoll seien, glaubt Tegut – etwa in Neubaugebieten, vor Klinken und Universitäten, an Verkehrsknotenpunkten oder auf Firmengeländen. Die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) hat in Heilbronn ebenfalls erste Tests mit High-Tech-Shops gestartet.
Die Studie "Zukunft des Check-out" des Kölner Handelsforschungsinstituts EHI und der Volksbank-Raiffeisenbank-Tochter VR Payment belegt, dass solche Einkaufsmodelle Zukunft haben: Vor allem die Schlangen an den Kassen sind demnach den Kunden ein Dorn im Auge. In der Studie, die auf einer repräsentativen Befragung von 1.000 Konsumenten beruht, heißt es: "Die Kunden wollen einkaufen, nicht bezahlen. Das Anstehen an der Kasse empfinden sie vor allem als Zeitverschwendung und Belastung."