Kritik aus eigenen Reihen für Bayerns Abschiebepraxis

Nur im Freistaat werden auch Afghanen abgeschoben, die sich keine Straftaten haben zu Schulden kommen lassen. Das findet nicht nur die Wirtschaft schlecht. Offene Kritik erfährt die Regierung auch von den eigenen Leuten.
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Franz Josef Pschierer (CSU. Foto: Soeren Stache/Archiv
dpa Franz Josef Pschierer (CSU. Foto: Soeren Stache/Archiv

München (dpa/lby) - Die Abschiebepraxis der Staatsregierung für Menschen nach Afghanistan ist auch innerhalb von CSU und Freien Wählern überaus umstritten. Vertreter aus den beiden Parteien, die seit knapp 100 Tagen die Regierung in Bayern stellen, kritisierten am Donnerstag die bisherige Praxis und forderten einen Abschiebestopp für nichtstraffällige Afghanen.

"Man kann nicht über den Fachkräftemangel jammern und ein Zuwanderungsgesetz diskutieren, wenn man gleichzeitig Menschen abschiebt, die nicht straffällig geworden sind, die eine Wohnung und Arbeit haben und für sich selbst sorgen", sagte der Chef der CSU-Mittelstands-Union und frühere bayerische Wirtschaftsminister, Franz Josef Pschierer, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in München. Die Menschen hätten dafür kein Verständnis, insbesondere, wenn sich gleichzeitig noch zahlreiche ausreisepflichtige Straftäter im Land aufhalten würden.

Pschierer schließt sich damit einer gleichlautenden Position der Freien Wähler an. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Landtagsfraktion, Fabian Mehring, forderte im Bayerischen Rundfunk, dass Bayern künftig nur noch Straftäter nach Afghanistan abschiebt. In diesem Punkt gebe es nach seinen Worten einen "Dissens" mit der CSU. Die Rechtslage erlaubt es, alle ausreisepflichtigen Afghanen abzuschieben - also nicht nur Straftäter. Bayern macht als einziges Bundesland von diesem Recht Gebrauch.

Für Pschierer vertritt in diesem Fall aber der CSU-Koalitionspartner in Bayern tatsächlich die Interessen der Wirtschaft besser: Die Freien Wähler hätten hier ein Anliegen aufgegriffen, das viele Wirtschaftsverbände in Bayern seit Jahren forderten. Pschierers Kritik geht aber noch weiter: "Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass wir in der Vergangenheit gelegentlich die Falschen abgeschoben haben." Auch könne er das Argument nicht gelten lassen, dass der Verzicht auf Abschiebungen den Zuwanderungsdruck erhöhe.

Wie Pschierer sagte auch Mehring der Deutschen Presse-Agentur, dass es seitens der Wirtschaft, der Kirchen und von Asylhelferverbänden viel Kritik an der bayerischen Abschiebepolitik gebe. Dennoch gebe es keinen grundsätzlichen Konflikt über die Asylpolitik in der Koalition mit der CSU: "In 90 Prozent der Themen sind wir uns einig in der Koalition." Gesprächsbedarf gebe es neben der Abschiebepraxis für Afghanistan auch zum Aufenthaltszeitraum für Flüchtlinge in den bayerischen Ankerzentren. "Da müssen wir nachsteuern", sagte Mehring unter Verweis auf zu lange Zeiträume bis zu den Asylentscheidungen.

Das CSU-geführte Innenministerium in München wollte sich auf Anfrage zunächst nicht zur Kritik der Freien Wähler äußern. Innenminister Joachim Herrmann wolle zunächst mit dem Koalitionspartner sprechen, bevor er sich öffentlich dazu äußere, sagte ein Sprecher. Dem Vernehmen nach haben sich Herrmann und Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger bereits für diesen Freitag dazu verabredet.

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