Kritik aus Bayern an Kippa-Warnung

Können Juden überall in Deutschland gefahrlos die Kippa als Zeichen ihres Glaubens tragen? Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung warnt davor. Dafür erntet er in Bayern heftigen Widerspruch - aber nicht nur.
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Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, gibt ein Interview. Foto: Lino Mirgeler/Archivbild
dpa Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, gibt ein Interview. Foto: Lino Mirgeler/Archivbild

München (dpa/lby) - Die Warnung der Bundesregierung vor dem Tragen der Kippa hat auch im Freistaat eine Debatte über die Sicherheit von Juden ausgelöst. Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, rief den Staat auf, Juden in Deutschland ein Leben ohne Angst zu gewährleisten. "Die Verunsicherung in der jüdischen Gemeinschaft ist heute groß, und ich kann jeden verstehen, der sich hierzulande nicht öffentlich sichtbar als jüdisch zu erkennen geben will", teilte sie der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag mit. "Mit diesem Zustand dürfen wir uns aber nicht abfinden."

Auslöser war eine Warnung des Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, Felix Klein, er könne es Juden nicht empfehlen, "jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen". Er begründete dies mit einer "zunehmenden gesellschaftlichen Enthemmung und Verrohung", die einen fatalen Nährboden für Antisemitismus darstelle. Etwa 90 Prozent der Straftaten seien dem rechtsradikalen Umfeld zuzurechnen, sagte Klein der Funke Mediengruppe.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wies die Warnung entschieden zurück und sagte, die Kippa zu tragen sei Teil der Religionsfreiheit. Daher ermutigte er Juden demonstrativ dazu. "Jeder kann und soll seine Kippa tragen, egal wo und egal wann er möchte", sagte der Minister.

Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) nannte es "nicht hinnehmbar", wenn Juden ihren Glauben in Deutschland verstecken müssten. "Der Staat hat zu gewährleisten, dass die freie Religionsausübung ohne Einschränkungen möglich ist." Aus anderen Bundesländern gab es ebenfalls Kritik.

Die Kippa ist eine kleine kreisförmige Mütze. Sie wird von jüdischen Männern als sichtbares Zeichen ihres Glaubens traditionell den ganzen Tag lang getragen.

Mit seiner Aussage habe er aufrütteln und eine Debatte über die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft anstoßen wollen, erklärte Klein der dpa. Er betonte, es dürfe keine No-Go-Areas für Juden oder Angehörige von anderen Minderheiten geben.

Dies forderte auch der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle (CSU). Juden müssten wissen und darauf vertrauen dürfen, dass sie sich sicher in Deutschland und Bayern bewegen könnten. Innenminister Herrmann bekräftigte: "Wenn wir vor dem Judenhass einknicken, überlassen wir rechtem Gedankengut das Feld."

Knobloch nahm den Staat in die Verantwortung. "Jüdisches Leben muss in ganz Deutschland ohne Angst möglich sein", forderte sie. Dafür brauche es ein gezieltes Vorgehen der Politik und einen Aufschrei gegen Judenhass aus der Gesellschaft. "Die staatlichen Stellen stehen auch weiterhin in der Pflicht, die Sicherheit jüdischer Menschen in Deutschland zu gewährleisten."

2018 war die Zahl antisemitischer Straftaten bundesweit stark angestiegen. Der jüngste Jahresbericht zur politisch motivierten Kriminalität wies 1799 Fälle aus, 19,6 Prozent mehr als 2017.

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