Krisen, Kandidaten, Koalitionäre: Politischer Aschermittwoch

Der politische Aschermittwoch hat sich längst in ganz Deutschland ausgebreitet. 101 Jahre nach der Premiere in Bayern bietet das Fernduell der Spitzenpolitiker damit nicht nur für die Aussprache zur aktuellen CDU-Krise eine perfekte Plattform.
von  dpa
"CDU" und "Politischer Aschermittwoch 2020" steht auf einer Getränkekarte. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild
"CDU" und "Politischer Aschermittwoch 2020" steht auf einer Getränkekarte. Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa/Archivbild © dpa

Passau/Landshut/Lennestadt - Eine bessere Rampe als den Machtkampf in der CDU kann es für den politischen Aschermittwoch kaum geben: Nur knapp 24 Stunden nachdem Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und CDU-Vize Armin Laschet offiziell ihre Kampfkandidaturen für die Nachfolge von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer bekannt gegeben haben, holen am Mittwoch die Spitzen aller Parteien zum verbalen Rundumschlag aus. Traditionell werden die Schmerzgrenzen in den meist angriffslustigen Reden sehr weit oben angesetzt - sehr zur Freude der zig Tausend Zuschauer in den Hallen, die längst nicht nur in Bayern während den Reden tief ins Bierglas schauen.

Den Anfang machen in der niederbayerischen Heimat des Aschermittwochs in Passau, Landshut und Vilshofen CSU-Chef Markus Söder, Grünen-Chef Robert Habeck und SPD-Chefin Saskia Esken. Auch in Baden-Württemberg könnte es schon am Vormittag heiß hergehen: In Fellbach bei Stuttgart steht die scheidende CDU-Chefin und in Biberach die CO-Chefin der Grünen, Annalena Baerbock, auf der Bühne. Dem Vernehmen nach stand der Auftritt von Kramp-Karrenbauer schon lange vor ihrem nun selbst gewählten Karriereende als Parteichefin fest.

Die Ausgangslage ist für die Unionspolitiker zweifelsohne schwieriger als bei den Grünen - spätestens seit der Regierungskrise in Thüringen taumelt die CDU für alle Welt sichtbar immer tiefer hinein in eine Parteikrise, die längst auch die Arbeit der Bundesregierung belastet. Es ist daher besonders spannend, wie AKK und Söder sich zur Lage ihrer Union und der Bundesregierung äußern - und welchen Ausblick sie in die Zukunft wagen. Weder der CSU-Chef noch Kramp-Karrenbauer haben ein Interesse an einer Spaltung der Union, direkte Aussagen zu den Kandidaten dürfte es daher kaum geben. Ende April wählt die CDU einen neuen Parteichef.

Baerbock und Habeck können das mit relativer Gelassenheit beobachten. Ihre Partei genießt weiterhin in Umfragen hohen Zuspruch, dass die künftige Bundesregierung ohne die Grünen gebildet werden kann, ist auch wegen der Dauerkrise der SPD derzeit mehr als unwahrscheinlich. Auch deshalb dürfte eines klar sein: Als politischer Gegner von Union und SPD dürften die Grünen von keiner Seite auf Schonung hoffen.

Ab dem späten Nachmittag steht beim politischen Aschermittwoch dann Nordrhein-Westfalen und Thüringen im Fokus: Während in Lennestadt im Sauerland die CDU Laschet erwartet, steht am frühen Abend im thüringischen Apolda der Sauerländer Merz am Rednerpult. Beide werden versuchen, für ihre Bewerbungen um den Parteichefposten zu werben und sich voneinander abzugrenzen. Das Verhältnis der beiden CDU-Männer gilt schon länger als schwierig und belastet, beide nutzten bereits ihre Ankündigungen zur Kandidatur für gegenseitige Spitzen.

Angesichts der bundespolitischen Brennpunkte drohen in Bayern die Aschermittwoch-Reden der anderen Parteien wenige Wochen vor der Kommunalwahl ein wenig unterzugehen. Gut möglich also, dass Freie Wähler, Linke, ÖDP, AfD und versuchen werden, mit besonders derben Aussagen aufzufallen.

Der politische Aschermittwoch feiert in diesem Jahr seinen 101. Jahrestag: 1919 hatte der bayerische Bauernbund anlässlich des Viehmarkts im niederbayerischen Vilshofen erstmals zu einer Kundgebung geladen - das Politspektakel war geboren. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der politische Aschermittwoch von der Bayernpartei wiederbelebt, bevor die CSU und auch alle anderen Parteien folgten. Seit einigen Jahren lockt der Aschermittwoch auch außerhalb Bayerns immer mehr Menschen und Politiker in Hallen und Zelte.

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