Kreissäge und glänzender Stahl
NÜRNBERG - Stimmwunder auf Durchreise: Asaf Avidan & the Mojos beglücken mit Folk, Rock und grenzensprengenden Vokalexzessen im Nürnberger Hirsch.
Wer ist Asaf Avidan? Der schmächtige Typ, der im Nürnberger Hirsch allein mit Gitarre, Mundharmonika und durchdringender Stimme sein Leid klagt? Oder das Energiebündel, das eine halbe Stunde später mit seinen vier Mojos aus den Knien rockt und der Hüfte schreit, dass einem alle Glieder zucken? Mit Janis Joplin ist er verglichen worden und anderen Stimmgewalten. Doch Avidan, der Senkrechtstarter aus Israel, dessen maßstabsetzende Platte „The Reckoning“ erst im November in Europa erscheint und dessen Youtube-Hits „Weak“ und „Her Lies“ auch im Hirsch bejubelt wurden, ist einzigartig: Seine Stimme gleicht einer explodierten Farbpalette zwischen sandgestrahltem Tenor, nadelspitzen Gipfeln, Kreissäge und glänzendem Stahl, schraubt sich kunstvoll in die Höhe, eine Königin der Nacht der Rockmusik, ironiesatt.
Avidan nölt gewitzte Ansagen, jammert charmant, dass einer ja den Entertainerjob machen muss. Und hält dem „gebildeten, musikliebenden Publikum“ vor, dass in Israel 13Jährige mit BHs nach ihm werfen. Auch die überschaubare Hirsch-Menge juchzt und jubelt, klatscht, singt.
Das Beglückende an Avidan ist, dass er jede Pose, jede Allüre auf musikalisches Genie polstert. Manche seiner Gitarren-Soli atmen die Komplexität eines spanischen Conciertos, seine Cellistin Hadas Kleinman zitiert wie nebenbei Bachsuiten, und in den Zugaben jazzen sich die beiden in einen komplexen Dialog-rausch, der einen atemlos zurücklässt. Georg Kasch
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