Kreativ durch Wachträume

Am 7. Oktober startet die Verfilmung des Bestsellers„Lippels Traum“ in den Nürnberger Kinos. Der Bamberger Autor Paul Maar im AZ-Interview über das Ergebnis.
Weil ihm seine Erzieherin das Buch „1001 Nacht“ wegnimmt, beginnt der zehnjährige Philipp Mattenheim, den alle nur Lippel nennen, eine angelesene Geschichte zu Ende zu träumen, wo Fiktion und Realität verschmelzen. Basierend auf dem gleichnamigen Roman des Bamberger Kinderbuchautors Paul Maar startet morgen nun „Lippels Traum“ in Nürnberger Kinos. Im Interview verrät Maar, der auch am Drehbuch mitschrieb, warum er mit der Umsetzung des Stoffes sehr zufrieden ist, welche positiven Aspekte Träume für Kinder haben und warum er Anke Engelkes Darstellung als sadistische Erzieherin einfach großartig findet.
AZ: Herr Maar, „Lippels Traum“ spielt teilweise in Marokko. War das im Vergleich zu den bisherigen Kinofilmen wie „Sams“ oder „Herr Bello“ schwieriger zu realisieren?
PAUL MAAR: Überhaupt nicht. Es hat großen Spaß gemacht, sich Szenen auszudenken. Ich habe das Drehbuch gemeinsam mit Produzent Ulrich Limmer geschrieben, der ein erfahrener Drehbuchautor ist, insofern war es eine ideale Zusammenarbeit. Das Erfreuliche war auch, dass der Autor Ulrich Limmer den Produzenten Ulrich Limmer während des Schreibens sozusagen vergessen hat. Ulrich Limmer hat manchmal ironisch gemeint: ‚Oh Gott, wenn das der Produzent liest. Diese Szene kostet wieder Tausende, aber wir schreiben sie rein'.
„Lippels Traum" handelt von Träumen und Phantasie. Wie wichtig sind Ihrer Meinung nach Träume für Kinder?
Ich habe erst vor kurzem einen Zeitungsartikel gelesen, in dem es um Kinder ging, die unsichtbare Begleiter haben. Darin wurde festgestellt, dass 40 bis 50 Prozent aller Kinder zwischen vier und acht Jahren Phantasiefiguren haben, mit denen sie sprechen, und manchmal geht es sogar soweit, dass beim Mittagessen extra ein Teller hingestellt werden muss für diese unsichtbaren Begleiter. Wissenschaftler sagen, dass sich die Eltern nicht etwa ängstigen müssen, dass ihre Kinder bei einem solchen Verhalten in den Wahnsinn abgleiten, sondern im Gegenteil, das es von einer großen Phantasie und Kreativität zeugt. Insofern haben Kinder bei dieser Form von Wachtraum sehr große Fähigkeiten zu träumen und in Träumen auch Emotionen zu anderen zu entwickeln.
Wie schlimm ist es, wenn Erwachsene Kindern ihre eigene Realität aufdrängen wollen?
Es ist ziemlich schlimm, wenn die realistisch denkenden Erwachsenen den Kindern die eigene Welt gewaltsam wegnehmen wollen.
Sind Sie mit dem Ergebnis des Films zufrieden?
Ja, sehr. Es sind ausgezeichnete Schauspieler. Anke Engelke als Erzieherin Frau Jakob ist großartig, weil sie mit einer Freundlichkeit Lippel die fiesesten Sachen antut. Da sie von vornherein nicht wie eine strenge Erzieherin aussieht, sondern hübsch und freundlich ist, wirkt es ganz anders, da sie den Jungen mit einer unterschwelligen sadistischen Ader triezt. Das spielt sie großartig. Und Moritz Bleibtreu ist ein überzeugender Vater.
Im Gegensatz zum „Sams" behandelt „Lippels Traum" ein wesentlich ernsthafteres Thema. Müssen sich die Zuschauer umstellen?
Ich denke schon. Das „Sams" ist ein rein phantastischer Film und „Lippels Traum" geht mehr in Richtung Abenteuerfilm. Die Traumszenen machen im Film zwei Drittel aus und die realistischen Szenen ein Drittel. Das haben wir absichtlich so gemacht, weil die Zuschauer die spannenden Szenen in der Wüste und in Marokko lieber sehen als Lippel zu Hause. Ich glaube, man vergisst beim Betrachten des Films sehr schnell, dass es sich eigentlich um einen Traum handelt und steigt sehr schnell in die Geschichte ein. Man empfindet das Geschehen in dem Moment so wie es der Traum-Lippel oder Film-Lippel empfindet, als eine spannende Geschichte.
Sie selbst waren als Kind ein Tagträumer. Haben Sie wie Lippel damals auch von 1001 Nacht und Orient geträumt?
Nein, meine Tagträume gingen eher in Richtung Indianer. Ich bin durch die Prärie geritten. Frank Gundermann