Krankenhäuser in Bayern schlagen Alarm: Kliniken haben zu wenig Personal
BKG-Geschäftsführer Siegfried Hasenbein über die anstehenden Herausforderungen für Deutschlands Krankenhäuser. Schon jetzt fehlen allein in Bayern 2.000 Pflegekräfte.
München - Düstere Zukunftsvisionen geistern derzeit durch die Lande: Kliniken, die ums Überleben kämpfen, immer mehr Menschen, die auch im hohen Alter operiert werden und dabei einen hohen Pflegebedarf haben – gleichzeitig gibt es immer weniger junge Leute, die als Arbeitskraft zur Verfügung stehen. Und die, die könnten, wollen nicht.
Denn der Beruf der Krankenschwester/des Krankenpflegers ist unattraktiv geworden. Überstunden, oft auch körperlich anstrengende Arbeit, die hohe Verantwortung, Zeitdruck und ein strapaziöser Schichtdienst machen die Arbeit zum Knochenjob.
Schon jetzt fehlen allein in Bayern 2.000 Pflegekräfte
Das weiß auch Siegfried Hasenbein, Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft (BKG), der am Donnerstag die Forderungen der Kliniken an die Politik vorgestellt hat. Denn die geplanten Vorhaben der Bundesregierung wie die Neuauflage des Strukturfonds oder das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) beeinflussen die Entwicklung der deutschen Kliniklandschaft maßgeblich.
BKG-Geschäftsführer Siegfried Hasenbein. Foto: ho
Zentrales Problem ist aber: die fehlenden Pflegekräfte. Laut einer Umfrage der BKG können jetzt schon rund 2.000 der aktuell bestehenden Pflegestellen allein in Bayern nicht besetzt werden. Gleichzeitig sehen die Pläne des Bundesgesundheitsministeriums künftig Personaluntergrenzen für bestimmte Bereiche wie beispielsweise Intensivstationen vor.
Woher diese Pflegekräfte kommen sollen, weiß offenbar niemand so recht. "Wir brauchen gesamtgesellschaftliche Anstrengungen, um wieder mehr Menschen in den Pflegeberuf zu bekommen", sagt Hasenbein – und zieht einen Vergleich zur Bundeswehr, die ein zweistelliges Millionenbudget zur Verfügung habe, um Arbeitskräfte anzuwerben. Politik, Krankenkassen und Gewerkschaften seien jetzt gleichermaßen gefragt.
Letztere, genau genommen ein Bündnis aus der Gewerkschaft Verdi, Politik, Pflegern, Juristen und Ärzten, bringt derzeit ein Volksbegehren ins Rollen, für dessen Durchführung aktuell Unterschriften gesammelt werden.
Ziel: noch schärfere Personaluntergrenzen als in den Regierungsplänen bereits vorgesehen, und vor allen Dingen: auf allen Stationen. Denn derzeit ist eine Personalverstärkung nur für die Bereiche Intensivstation, Geriatrie, Unfallchirurgie und Kardiologie geplant.
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Nach Schätzungen von Verdi bräuchten Bayerns Kliniken rund 12.000 zusätzliche Pflegestellen, um nicht nur den Bedürfnissen der Patienten zu genügen, sondern auch die Arbeitsbedingungen der Pfleger und Schwestern zu verbessern.
Dies dürfte eine gewichtige Voraussetzung sein, um wieder mehr Menschen für diesen Beruf zu gewinnen. Doch selbst die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geforderten Untergrenzen stellen die Krankenhäuser bereits vor große Herausforderungen: "Beispielsweise im Stadtstaat Hamburg würde die Regelung allein im Bereich der Intensivpflegekräfte einen Bedarf von rund 150 Stellen auslösen", sagt Hasenbein.
Doch keine der Kliniken sei in der Lage, solche Untergrenzen einzuhalten. "Und das ärgert mich, wenn Herr Spahn dann sagt, dann muss man eben die Leistungen zurückschrauben“, sagt Hasenbein. "Denn was heißt denn das? Sollen diese Kliniken dann die Intensivpatienten nicht mehr aufnehmen? Oder sie früher entlassen?"
Kliniken müssen immer neue Voraussetzungen erfüllen
Hintergrund: Die Untergrenzen machen sich an einem Pflegekraft-Patienten-Schlüssel fest. Auf Intensivstationen beispielsweise soll dieser künftig 1:2 betragen – das heißt, bei zehn Intensivbetten wären dann fünf Pfleger erforderlich. Würden diese Vorgaben nicht eingehalten, hätte dies Folgen: "Die finanziellen Sanktionen sind erheblich", sagt Hasenbein.
Auch die Frage der Haftung sei noch nicht ausreichend geklärt. Die Festlegung der Personaluntergrenzen hält er für nicht umsetzbar, gar realitätsfern.
Neben den Umstrukturierungen im Personalbereich haben Deutschlands Kliniken noch weitere Herausforderungen zu meistern – Stichwort Notaufnahmen. Diese sollen reformiert und künftig in drei Stufen unterteilt werden: in "Basis", "Erweitert" und "Umfassend".
Dabei haben die Kliniken bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen, wenn sie dafür den finanziellen Zuschlag der Gesetzlichen Krankenkassen erhalten wollen. So müssen bestimmte Fachabteilungen vorhanden sein, eine Intensivstation mit mindestens sechs Betten, Facharzt und Anästhesist müssen binnen 30 Minuten beim Patienten sein können. Von der jeweiligen Einstufung hängt dann die Höhe der Fallpauschalen ab, die eine Klinik für jeden Patienten bekommt.
Hasenbein fordert Diskussion über die Zukunft deutscher Kliniken
"Und hier ist ein Denkfehler in dem ganzen Entstehungsprozess entstanden", sagt Hasenbein. "Man wollte mit diesem Stufensystem die Krankenhäuser, die alle unterschiedlich hohe Vorhaltekosten haben für die Notfallmedizin, gerechter finanzieren. Aber die Kriterien für diese Stufen sind sehr hochgesetzt."
Das Problem: Alle Häuser, die diese Kriterien nicht erfüllen, müssen mit erheblichen Abschlägen rechnen. Momentan stehen dafür Beträge um die 50 Euro im Raum – pro Patient, egal, für welche Behandlung.
Kostet also beispielsweise eine Blinddarm-Operation 2.000 Euro, kann die Klinik bei den Krankenkassen nur 1.950 Euro von der Fallpauschale abrechnen. "Das klingt jetzt nicht so dramatisch viel weniger. Aber wenn eine Klinik jetzt vielleicht im Durchschnitt 10.000 Fälle im Jahr behandelt – das ist jetzt kein großes Krankenhaus – dann reden wir von einer halben Million Euro, die fehlt. Das ist wirtschaftlich bedrohlich."
Dabei haben die Kliniken nach Darstellung der Bayerische Krankenhausgesellschaft große Investitionen zu stemmen. "Der Bedarf im Bereich Digitalisierung beispielsweise ist enorm. Das ist nichts, wofür sich Deutschland rühmen könnte", sagt Hasenbein. So sei die elektronische Gesundheitskarte (Krankenkassenkarte), die seit 14 Jahren auf den Weg gebracht werde, noch immer nicht einsatzfähig.
Fast jede Kasse biete für ihre Versicherten mittlerweile elektronische Patientenakten an. "Das ist für die Krankenhäuser eine Herausforderung, sie müssen sich auf die ganze Technik einstellen", so Hasenbein. Er fordert eine breitere Diskussion über die Zukunft der deutschen Krankenhauslandschaft.
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