Krach um Fluglärm

Dritte Startbahn: Die Erörterung hat begonnen. Bürgermeister und Landräte geben dem Flughafen-Chef dabei Kontra. Es sind viele Emotionen im Spiel.
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Eine Computersimulation der dritten Startbahn am Münchner Flughafen.
Hennig Koepke FMG Eine Computersimulation der dritten Startbahn am Münchner Flughafen.

Dritte Startbahn: Die Erörterung hat begonnen. Bürgermeister und Landräte geben dem Flughafen-Chef dabei Kontra. Es sind viele Emotionen im Spiel.

UNTERSCHLEISSHEIM Der Morgen begann für den Münchner Flughafen-Chef Michael Kerkloh mit einem Spießrutenlauf. Er wagte sich mitten in eine Demonstration von Gegnern der dritten Start- und Landebahn. „Die dritte Bahn ist Größenwahn“, bekam er zur Begrüßung auf einem der zahlreichen Banner zu lesen.

Der Protest bildete gestern den Auftakt zu einem echten Mammutverfahren: Die Erörterung des umstrittenen Großprojekts hat begonnen. Im nächsten halben Jahr werden dabei 60000 Einwendungen behandelt – mehr als doppelt so viele, wie es gegen den gescheiterten Transrapid gab.

Martin Widhopf (67) wandte sich mit seinen Einwänden gleich an den Flughafen-Chef selbst – auf der Demo hatte er die Gelegenheit dazu. Der Rentner wohnt in Pulling, landende Flieger düsen schon jetzt direkt über sein Haus. „Ich hatte Blasenkrebs. Bin sechs mal operiert worden“, erzählte er Kerkloh gestern. Die Ärzte hätten ihn nach Untersuchungen mehrfach gefragt, ob er in einer chemischen Fabrik gearbeitet habe. Widhopf ist sicher: „Die Abgase der Flieger haben mich so krank gemacht!“

Engpass am Flughafen

Um exakt 9.38 Uhr begann das Anhörungsverfahren, das eines der größten bundesweit ist. Rund 200 Menschen waren dazu ins Ballhausforum Unterschleißheim gekommen – in dem riesigen Saal verloren sie sich fast. Zu Beginn hatte der Flughafen-Chef das Wort. Kerkloh verteidigte das Projekt. „Der Engpass ist kein Zukunftsszenario mehr, sondern tägliche betriebliche Realität.“ Passend dazu wurde eine Wachstums-Prognose präsentiert: Bis 2020 sollen demnach 57,3 Millionen Passagiere jährlich den Münchner Airport nutzen. Derzeit sind es knapp 34 Millionen.

Kerkloh, der bei seiner Rede von den Zuhörern im Saal immer wieder ausgelacht wurde, gestand zu: Die dritte Startbahn würde die Anwohner erheblich belasten. Er versprach „faire Lösungen und einen Ausgleich“. Wird der Flughafen-Ausbau realisiert, müssen zwölf Anwesen dem Bauvorhaben weichen – 70 Menschen wären davon betroffen. Den Bürgern im Ort Attaching müsste der Flughafen zumindest anbieten, ihre Häuser zu kaufen. Tausende müssten mit dem Fluglärm leben.

Nach den Flughafen-Vertretern waren die Landkreise und Kommunen an der Reihe – und brachten in emotionalen Worten ihre Gegenargumente vor. „Viele werden mit der Erweiterung vor den Kopf gestoßen und ihrer Heimat beraubt“, erklärte der Freisinger Landrat Michael Schwaiger (Freie Wähler). Sein Landkreis lehne das Vorhaben ohne Wenn und Aber ab. Offen zweifelte Schwaiger den Bedarf der Bahn an. Im aktuellen Winterflug-Plan habe es einen Rückgang der Flüge um fünf Prozent gegeben. Der Flughafen selbst sieht die aktuelle Entwicklung nur als „Delle“, die wieder vorbei geht.

"Würde und eine lebenswerte Zukunft"

„Jedes Wachstum hat dort seine Grenzen, wo die Belastungen für die Menschen in der Region unzumutbar werden“, erklärte der Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer (CSU). Er beklagte, dass mit einer dritten Bahn „neue Korridore verlärmt“ würden.

Kritik setzte es auch für den Veranstaltungsort, der von den betroffenen Gebieten weit entfernt ist. „Das ist bürgerunfreundlich“, befand der Freisinger OB Dieter Thalhammer (OB). Für ihn geht es bei dem Streit um die Realisierung der dritten Starbahn um nicht weniger als um „Würde und eine lebenswerte Zukunft“. Er berichtete, dass der Grundstücksmarkt komplett eingebrochen sei, seit die Planungen bekannt wurden. Kein Wunder: Die Bahn wäre vom Freisinger Dom nur 3,6 Kilometer entfernt. Julia Lenders

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