Korruptionsprozess mit brisanter Zeugenaussage

Eine bemerkenswerte Zeugenaussage und zwei letzte Worte sorgten für einen inhaltlich dichten Verhandlungstag im zweiten Regensburger Korruptionsprozess. Das Verfahren geht auf die Zielgerade.
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Joachim Wolbergs, Regensburger Ex-Oberbürgermeister, im Verhandlungssaal des Landgerichts. Foto: Armin Weigel/dpa/Archivbild
dpa Joachim Wolbergs, Regensburger Ex-Oberbürgermeister, im Verhandlungssaal des Landgerichts. Foto: Armin Weigel/dpa/Archivbild

Regensburg (dpa/lby) - Auf den letzten Metern hat im Regensburger Korruptionsprozess die Zeugenaussage eines Polizisten aufhorchen lassen. Zudem begann der angeklagte Ex-Oberbürgermeister Joachim Wolbergs mit seinem letzten Wort. Dabei zeigte er sich einmal mehr kämpferisch - wenngleich ihm, so sagte der 49-Jährige, nach vier Jahren Ermittlungen und Prozessen langsam die Kraft ausgehe.

Der mit angeklagte Bauunternehmer hatte zuvor am Dienstag sein letztes Wort gesprochen und heftige Kritik an den Anklägern geübt. Das Urteil vor dem Landgericht ist für 17. Juni geplant.

Am Morgen waren ein Polizeibeamter und der frühere Leiter der Kriminalpolizei als Zeugen geladen. Der Polizist bestätigte ein Zitat aus einem anonymen Brief. Dieser war Wolbergs zugestellt worden. Darin erhebt der Autor unter anderem Vorwürfe gegen den Hauptsachbearbeiter der damaligen Ermittlungsgruppe. Dieser soll dem nun als Zeugen geladenen Beamten in einem Gespräch auf der Toilette sinngemäß über Wolbergs gesagt haben: "Wenn wir mit dem fertig sind, kann er froh sein, wenn er nicht aus dem Fenster springt."

Der frühere Kripochef sagte, ihm seien derlei Aussagen nicht bekannt. Hätte er davon gehört gehabt, hätte er den Beamten sofort von den Ermittlungen abgezogen. Gegen den Hauptsachbearbeiter waren im Verlauf des Verfahrens wie auch schon im ersten Korruptionsprozess im vergangenen Jahr mehrfach Vorwürfe laut geworden, er habe einseitig zuungunsten Wolbergs' ermittelt. Laut dem anonymen Schreiben soll zudem die stellvertretende Leiterin der Ermittlungsgruppe gesagt haben: "Der Wolbergs ist ein Betrüger, der dafür noch bluten muss." Hiervon wisse er nichts, so der Polizist.

Nach einer Besprechung verzichteten Wolbergs und sein Verteidiger Peter Witting darauf, hierzu weitere Zeugen zu laden. Sie gingen nicht davon aus, dass mehr Details herauskommen würden, schließlich gebe es auch bei der Polizei einen gewissen Korpsgeist. Es sei dem geladenen Beamten schon offensichtlich schwer gefallen, auszusagen. Zu Beginn hatte der Polizist angegeben, er habe Bluthochdruck und nehme seit zwei Wochen schon die doppelte Dosis Tabletten. Die Zeugenaussage sei das letzte, was er habe brauchen können.

Am Nachmittag begann Wolbergs sein letztes Wort, das er am Mittwoch fortsetzen will. Dabei holte er weit aus, schilderte anhand zahlreicher Beispiele detailliert Verwaltungsabläufe, Motivationen und Entscheidungswege bei Bauprojekten. Der einzige Fehler, den er aus seiner Sicht gemacht habe, sei, dass er sich nicht darum gekümmert habe, als ihm ein Bauunternehmer angeboten hatte, eine Rechnung einer Werbeagentur für den SPD-Wahlkampf zu übernehmen. Damit hätte er sich befassen müssen, so Wolbergs. Sämtliche weitere Vorwürfe ließen sich entkräften.

Der mitangeklagte Bauunternehmer hatte zuvor unter anderem darauf verwiesen, dass er Wolbergs' SPD-Ortsverein während des Wahlkampfes Spenden habe zukommen lassen, wie es das Gesetz erlaube. Nach der Stichwahl habe er eine weitere Spende ausdrücklich abgelehnt. Er habe einen anderen Unternehmer gefragt, ob dieser bereit wäre, für beide Kandidaten - CSU und SPD - für den Wahlkampf zu spenden. Dass es ihm explizit um beide Kandidaten gegangen sei, habe die Staatsanwaltschaft nicht berücksichtigt - was man als Boshaftigkeit interpretieren könnte.

Dass die Staatsanwaltschaft "unglücklich" über die fehlerhafte Verschriftung zahlreicher mitgeschnittener Telefonate sei, sei ihm zu wenig. "Wir sind auch manchmal unglücklich", sagte der Unternehmer über sich und Wolbergs. Und an die beiden Ankläger gewandt sagte er: "Für Sie bleibt es folgenlos, für Wolbergs und mich nicht." In seinem Unternehmen hätten die beiden als Mitarbeiter mit dieser Arbeitsweise kaum Aufstiegschancen. Der Unternehmer versicherte, er sei nicht korrupt und sei es nie gewesen. So etwas verabscheue er.

Der Prozess gegen Wolbergs läuft seit Oktober 2019. Es geht um Korruptionsvorwürfe während des Kommunalwahlkampfes 2014. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Bestechlichkeit und Vorteilsnahme vor. Er weist dies zurück. Sein Verteidiger plädierte auf Verfahrenseinstellung beziehungsweise Freispruch.

In einem ersten Prozess war Wolbergs im Juli 2019 wegen zwei Fällen der Vorteilsnahme verurteilt und von sämtlichen weiteren Vorwürfen freigesprochen worden. Von einer Strafe sah das Gericht ab.

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