Konventionelle und ökologische Rinderhaltung in Bayern

Viel Milch sollen sie geben und saftiges, zartes Fleisch: Rinder gehören zu Bayern. In der Haltung gibt es große Unterschiede. Wie sich die konventionelle und die ökologische Rinderhaltung unterscheiden.
von  Nina Job
Geburt auf einer Weide.
Geburt auf einer Weide. © dpa

München - Bayern ist ein Rinderland: Etwa 3,2 Millionen Rinder leben im Freistaat, das ist ein Viertel des Gesamtbestands in ganz Deutschland. Der Freistaat hat einen großen Anteil daran, dass Deutschland der größte Milcherzeuger der EU ist – und der zweitgrößte Rindfleischproduzent. 286.000 Tonnen Rindfleisch und 7,9 Millionen Tonnen Milch wurden 2018 in Bayern produziert.

Wichtig in der Rinderhaltung: Fleisch, Milch und Hörner

Von bayerischen Landwirten werden vor allem Rassen gehalten, die zweierlei können: Die Kühe sollen viel Milch geben, die männlichen viel und gutes Fleisch. Am häufigsten sieht man Fleckvieh (80 Prozent). Mehr als eine Million sind Milchkühe. Die leistungsstärksten produzieren fast 33 Liter Milch pro Tag. Auf solche Rekorde bringen es Bio-Kühe, die artgerechter gehalten werden, nicht. Sie geben etwa zehn Prozent weniger Milch als eine konventionell gehaltene Kuh.

Damit sie überhaupt Milch geben, müssen Milchkühe jedes Jahr ein Kalb auf die Welt bringen. Trächtig werden sie meist auf künstlichem Wege: Den Samen liefert eine "Bullenbank", acht Besamungsstationen gibt es im Freistaat. Die weiblichen Kälber dienen meist als Nachwuchs für die Milchviehherde, die männlichen werden gemästet.

Rinder haben sich früher, als sie noch fast ausschließlich auf Weiden grasten, mit ihren Hörnern gegen wilde Tiere verteidigt. Heute stören den Menschen die Hörner. Denn in den engen Ställen bedeuten sie eine Gefahr für Mensch und Tier. Zudem sind sie hinderlich im Schlachttransporter. Deshalb werden in konventionellen Betrieben die Anlagen für das Hornwachstum bei jungen Kälbern üblicherweise mit einem Brennstab versengt. Parallel dazu versucht man verstärkt hornlose Rinder zu züchten. 1992 wurden Gene eines hornlosen Bullen in die deutsche Viehpopulation gebracht: Dafür holte man Samen des Bullen "Rendition" aus den USA, der mit einem Gendefekt auf die Welt gekommen war.

Die AZ erklärt, wie sich die konventionelle und die ökologische Rinderhaltung unterscheiden.


So sieht die konventionelle Rinderhaltung in Bayern aus

Geburt: In der konventionellen Haltung werden bayerische Mutterkühe fast immer künstlich besamt (91,4 Prozent). Etwa 30 Minuten nach der Geburt versucht das Kälbchen aufzustehen und sucht das Euter. Doch daraus trinken darf es nicht, es soll keine Bindung entstehen und die Milch ist den Menschen vorbehalten. Nur bei der "Mutterkuhhaltung" darf das Kalb nuckeln (siehe Kasten unten). Ist das Neugeborene für die Mast bestimmt, kommt es sofort in eine Box (90 x 180 cm) oder in ein Kälberiglu. Dort bleibt es bis zur achten Woche, Stroh als Untergrund ist nur zwei Wochen lang Pflicht. Die männlichen Nachkommen der Milchkühe sowie weibliche, für die kein Bedarf als Milchkuh besteht, werden gemästet. Sie werden ab dem 14. Lebenstag verkauft.

Aufzucht: Mit Beginn der dritten Lebenswoche bekommen die Mastkälber aus Eimern mit Nuckeln oder aus Tränkautomaten Milchersatznahrung. Erst ab der achten Lebenswoche haben die Kälber wieder Kontakt zu Artgenossen, dann kommen sie in eine Gruppe mit Gleichaltrigen. Da mangels Mutterkontakt das Saugbedürfnis nicht gestillt ist, saugen die Kälber häufig an Stangen im Stall oder an den Geschlechtsteilen anderer Kälber. In den ersten Lebenswochen werden Kälbern üblicherweise die Hornanlagen mit einem Brennstab versengt.

Boxenlaufställe und Anbindehaltung

Rinderleben: Mastkälber werden üblicherweise im Alter von 4-6 Wochen oder ab einem Gewicht von 80 bis 90 Kilo an einen Bullenmäster verkauft. Sogenannte Fresser – Jungrinder, die der Milchhaltung entstammen – meist mit 180 bis 200 Kilo. Der größte Teil der Mastbullen, die in Bayern geschlachtet werden, lebt in Ställen mit Vollspaltenboden. Exkremente werden durchgetreten oder mit einem Schieber entfernt. Die Mastkälber bekommen Kraftfutter mit energiereicher Maissilage. Sie müssen täglich rund 1,1 bis 1,3 Kilo zunehmen. Nach eineinhalb bis zwei Jahren haben sie ihr Schlachtgewicht von 220 bis 260 Kilo erreicht. Milchkühe werden meist im Alter von fünfeinhalb Jahren geschlachtet. Danach produzieren sie nicht mehr genug Milch. Etwa 75 Prozent der 975.000 Milchkühe leben in sogenannten Boxenlaufställen, in denen sie herumlaufen können. Auslauf oder eine Einstreu mit Stroh sind nicht Pflicht.

In etwa 16.000 vor allem kleineren Betriebe leben die Tiere noch in Anbindehaltung. Das bedeutet, dass die Rinder nebeneinander in Reihen stehen. Sie können nur aufstehen oder sich hinlegen. Umdrehen oder sich das Fell schlecken können sie nicht.

Tod: Ein Fleckvieh-Mastbulle bringt rund 725 Kilo auf die Waage, bevor er geschlachtet wird. In Deutschland werden Rinder am häufigsten mit einem Bolzenschuss betäubt, aber auch eine Elektrobetäubung ist zugelassen. Die Entblutung muss laut der Tierschutz-Schlachtverordnung innerhalb von höchstens 60 Sekunden nach der Betäubung durch einen Bolzenschuss oder innerhalb von höchstens zehn bis 20 Sekunden nach der Elektrobetäubung geschehen.


Leben und Tod der Öko-Rinder

Geburt: "Natursprung" wird es genannt, wenn eine Kuh von einem Stier begattet wird. Doch echten Sex haben selbst Öko-Rinder heute nur selten. Meist wird die Kuh künstlich besamt. Verboten sind allerdings Embryotransfers (im Reagenzglas befruchtete Eizellen werden in die Gebärmutter gepflanzt). In der Bio-Haltung werden meist die gleichen Rassen gehalten wie in der konventionellen Landwirtschaft, sie müssen aber aus ökologischer Zucht stammen. Die Geburt eines Kalbes kann bis zu sieben Stunden dauern. Viel Zeit bleibt den Kleinen aus der Milchviehhaltung, die gemästet werden sollen, mit ihrer Mutter nicht: Nach ein bis Tagen werden sie getrennt. Die Kälbchen bleiben eine Woche in einer Einzelbox (1,5 Quadratmeter). Ab der zweiten Lebenswoche kommen sie mit anderen Kälbern zusammen. In den ersten drei Monaten müssen Bio-Kälber Vollmilch bekommen.

Aufzucht: Bio-Rinder dürfen nicht systematisch enthornt werden (dabei werden die Anlagen mit einem Brenneisen versengt). Zulässig ist das nur mit Extra-Genehmigung bis zum Alter von sechs Wochen mit Schmerz- und Betäubungsmitteln. Bei Demeter gilt ein generelles Enthornungsverbot, auch die Zucht mit genetisch hornlosen Zuchtbullen ist verboten. In Öko-Höfen stehen langsameres Wachstum, lange Nutzungsdauer, Robustheit und Freilandtauglichkeit im Vordergrund. Einzelhaltung ist nur stark eingeschränkt zulässig. Rinder sind sehr soziale Tiere und brauchen den Kontakt zu Artgenossen. Männliche Kälber aus Milchviehhaltung werden in der Regel in der 4. bis 7. Woche an konventionelle Mastbetriebe verkauft. Die meisten Mastbullen aus der Fleischrinderhaltung wachsen im ersten Jahr natürlich mit der Mutter auf.

Weiden, Platz zum Liegen und die Ausnahmen

Rinderleben: Auf Biohöfen müssen Tiere möglichst artgerecht gehalten werden. Das bedeutet zum Beispiel, dass Rinder nicht angebunden oder alleine gehalten werden dürfen. In mittleren und größeren Betrieben leben die Rinder meist in sogenannten Laufställen, in denen sie herumlaufen können. Die Ställe sind in einen Fress- und einen Liegebereich aufgeteilt. Der Boden darf höchstens zur Hälfte aus Spaltenböden bestehen. Der Platz zum Liegen ist in der Regel mit Stroh eingestreut. Wenn das Wetter passt, kommen die Tiere auf die Weide.

Doch es gibt Ausnahmen: Kleine Höfe mit bis zu 35 Rindern dürfen ihre Tiere auch in Anbindehaltung halten. Dann kommen die Rinder im Sommer meist auf die Weide. Im Winter müssen sie zwei Mal pro Woche für eine Stunde an die Luft. Beim Öko-Verband Neuland ist die Anbindehaltung verboten.

Männliche Milchkuhkälber werden entweder in vier bis neun Monaten auf 125 bis 300 Kilo bis zur Schlachtreife gemästet. Oder sie werden bis zu einem Gewicht von rund 600 Kilo gemästet. Das dauert etwa zwei Jahre. Das Futter besteht zu 95 Prozent aus Biofutter (ohne Gentechnik), der Großteil ist selbstproduziert. Mindestens 60 Prozent bestehen aus Gras und Heu. Vorbeugender Medikamenteneinsatz ist verboten. Gemolken werden die Öko-Milchkühe – wie ihre Artgenossen in konventionellen Ställen – immer häufiger von Melkrobotern.

Tod: Der Weg zum Schlachter soll nach den Richtlinien so kurz wie möglich sein: maximal vier Stunden Fahrt und 200 Kilometer weit. Bio-Tiere sollen möglich stress- und angstfrei sterben. Aber kein Muss. Abseits der großen Schlachthöfe entwickeln Bio-Betriebe (bislang wenige) tierfreundlichere Alternativen: Manche Bauer erschießen ihre Tiere auf der Weide, um ihnen Angst und Stress zu ersparen. Andere lassen einen mobilen Schlachtanhänger auf den Hof kommen.

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AZ-Serie "Unser Essen": Milch - ein Industrieprodukt

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