Königlich Bayerischer Pyro-Techniker
Seine Vorfahren bauten Fontänen für Monarchen, Peter Sauer brennt jährlich 200 Großfeuerwerke ab. Er ist Bayerns einziger konzessionierter Feuerwerks-Fabrikant. Das Geschäft lief schon mal besser, sagt er
Peter Sauer ist ein ruhiger, zurückhaltender Mann, dabei sind Krach und knallige Effekte sein Geschäft. Der 46-Jährige leitet die einzige konzessionierte Kunst-Feuerwerk-Fabrik Bayerns, die „Fritz Sauer AG“ in Gersthofen bei Augsburg. Seit Montag decken sich die Menschen dort wieder für Silvester ein – mit Raketen und Licht-Fontänen, „Bomben“ und Böllern.
Geschätzte 100 Millionen Euro werden die Deutschen Mittwochnacht in den Himmel schießen. Für Peter Sauer macht das Silvester-Geschäft aber nur sieben Prozent des Jahres-Umsatzes aus. „Wir leben vom Großfeuerwerk – und das seit fünf Generationen“, sagt er stolz.
Die Geschichte der Feuerwerker aus Gersthofen beginnt Mitte des 19.Jahrhunderts in der Münchner Balanstraße. Hier, bei der „Feuerwerkerei Heinrich Burg“, lernt Peter Sauers Ur-Ur-Großvater Franz Georg das explosive Handwerk. 1863 eröffnet er sein erstes eigenes Unternehmen. Hinter dem großspurigen Namen „pyrotechnisches Laboratorium“ verbirgt sich eine Ansammlung kümmerlicher Holzhütten an der Augsburger Stadtmauer.
Doch Sauer und seine beiden Gesellen feiern Erfolge am bayerischen Königshof. In einem Firmenprospekt aus dem frühen 20.Jahrhundert sind die Festivitäten aufgelistet, bei denen die Pyrotechniker mit ihrem Können glänzen: fünf königliche Hochzeiten und der 80.Geburtstag des Prinzregenten. „Außerdem muss er Neuschwanstein einmal sehr schön bengalisch beleuchtet haben“, sagt Peter Sauer. „Dafür wurde er zum königlich bayerischen Hoflieferanten ernannt“. Auf ein Ereignis bereitete sich der Feuer-Künstler vergeblich vor: „Es existieren noch Skizzen für die Lichtbilder zur Hochzeit von Ludwig II. Aber dazu kam es ja bekanntlich nie.“
1938 kauft Peter Sauers Großvater elf Hektar Ackerland in Gersthofen, errichtet eine Fabrik – und muss für die Nazis Leucht- und Signal-Munition produzieren. „Eigentlich wollte er nur Lust-Feuerwerke herstellen. Aber im Krieg hat’s geheißen: Mach’ das oder mach’ zu“, sagt der Enkel. Nach der Kapitulation läuft das Geschäft wieder an – zunächst mit Ofenanzündern aus Patronenhülsen.
Heute brennen Peter Sauer, seine sieben Mitarbeiter und etliche Aushilfen jährlich 180 bis 200 Großfeuerwerke ab. Ihre bunten Sternenbouquets erleuchten Hochzeiten, Geburtstagsfeiern, das Münchner Frühlingsfest. Sie strahlten über dem Sommerfest im Olympiapark und sind seit mehr als 25 Jahren der Höhepunkt des Olchinger Volksfestes. An Silvester werden Sauer und Kollegen sich auf sechs Hotels an den oberbayerischen Seen verteilen und dort für pyrotechnisches Spektakel sorgen.
Viele Kunden kennt der Geschäftsmann seit Jahrzehnten – genau wie ihr Kaufverhalten: „Frauen wollen lieber etwas Optisches, das nicht so laut ist – also bunte Fontänen oder einen schönen Goldregen.“ Für Männer hingegen gelte: Umso wilder, umso lauter desto besser.
„Von dem, was wir verschießen, stammt einiges aus China und einiges von großen deutschen Importeuren. Ein Drittel machen wir selbst“, sagt Sauer. Auf dem Firmengelände stehen rund ein Dutzend kleine Fertigungshallen – eine für jeden Arbeitsschritt, von der Entwicklung im Labor über das Befüllen der „Bomben“ mit Leuchtkugeln bis zum Anordnen der Feuerwerks-Batterien.
Ein Großfeuer wäre das Ende des Familienbetriebs. „Die Versicherungen verlangen für die Fertigungshallen einer Feuerwerkerei den 22-fachen Versicherungssatz – das kann kein Mensch bezahlen. Man ist gezwungen, das Risiko einzugehen.“
Die 600.000 Euro Jahres-Umsatz reichen gerade für die Löhne der Mannschaft und die wichtigsten Ausbesserungen an den alten Gemäuern. Die Lichtspiele werden heute nicht mehr auf dem Papier sondern auf dem Computer desgined, aber für weitere Modernisierungsarbeiten bleibt kaum etwas übrig.
Und obwohl das Gersthofener Unternehmen die Auswirkungen der Finanzkrise noch nicht spürt, blickt der Chef beunruhigt ins kommende Jahr. „Wenn wir Material in China zukaufen, kommt das auf dem Seeweg. Als Gefahrguttransport. Mittlerweile fährt nur noch eine Reederei diese Route, und die Preise haben kräftig angezogen.“ Japanisches Feuerwerk sei nicht mehr zu bezahlen und auch die chinesischen Produkte würden immer teurer.
„Aber vielleicht“, sagt Sauer, „liegt darin unsere Chance. Wenn der Import kostspieliger wird, setzen die Leute vielleicht wieder verstärkt auf deutsche Hersteller.“
Natalie Kettinger
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