Interview

Koch-Nationalcoach Elisabeth Albrecht: "Talent ist nur ein kleiner Teil"

Elisabeth Albrecht ist als Jungköchin durchgestartet. Nun trainiert sie die Nationalmannschaft der Köche und bildet den Nachwuchs an der Berufsschule Regensburg aus. Warum? Ein Gespräch.
von  Miriam Graf
Die gebürtige Oberpfälzerin und Köchin Elisabeth Albrecht.
Die gebürtige Oberpfälzerin und Köchin Elisabeth Albrecht. © Foto: Köcheclub Ratisbona e.V.

Kochen ist das Leben von Elisabeth Albrecht. Die Oberpfälzerin hat in exzellenten Restaurants gearbeitet, ist mit der Schweizer Köche-Nationalmannschaft Weltmeisterin geworden, und trainiert jetzt die beiden deutschen Nationalteams. Ehrenamtlich.

Hauptberuflich bringt sie Koch-Auszubildenden das Handwerk in der Berufsschule Regensburg bei. Ob sie bei ihren Schülern schon am ersten Tag weiß, ob aus ihnen ein Top-Koch werden könnte, erzählt sie im AZ-Interview.

AZ: Frau Albrecht, was sind Sie denn eher: Köchin oder Lehrerin?
ELISABETH ALBRECHT: Beides. Auch im Beruf ist man ja Lehrer, wenn man Lehrlinge oder Praktikanten ausbildet. Es hat mir schon immer Spaß gemacht, Leidenschaft und Wissen weiterzugeben. Ich hatte aber nie an die Option gedacht, Lehrerin zu werden, bis mich die Schule gefragt hat, nachdem ich einen Motivationsvortrag gehalten habe. Ich habe schnell gemerkt, dass das Unterrichten etwas für mich ist. Seit diesem Schuljahr mache ich es in Vollzeit. Zuvor war es schwierig, alle Baustellen unter einen Hut zu bringen. Ich bin glücklich, dass ich hier angekommen bin.

"Einen Stern zu erringen ist ein tolle Wertschätzung"

Sie waren beste Jungköchin der Schweiz, sind mit der Schweizer Jugend-Kochnationalmannschaft Weltmeisterin geworden und haben in Sterne-Restaurants gearbeitet. Bei Ihrem Karrierestart würde man erwarten, dass Sie jetzt einem Stern hinterherjagen.
Ich wollte eigentlich immer mein eigenes Restaurant haben - einen Stern zu bekommen, wäre aber nicht das Wichtigste für mich gewesen. Der Perfektionismus der Sterneküche hat mir schon immer Spaß gemacht. Einen Stern zu erringen, ist eine tolle Wertschätzung und es macht einen sichtbarer. Es gibt aber auch viele Köche, die ohne Stern sehr gut kochen. Das wäre mein Anspruch gewesen: einfach gut kochen.

Ein eigenes Restaurant - haben Sie diesen Traum ad acta gelegt?
Ich bin zufrieden in der Schule. Wenn daneben Zeit bleibt, bin ich offen für Projekte - so wie jetzt mein Engagement als Trainerin der deutschen Köchenationalmannschaft. Damit verbringe ich nahezu meine ganze Freizeit. Es geht gerade in die heiße Phase der Vorbereitung der Weltmeisterschaft in Luxemburg im November. Vom Zeitaufwand ist es fast wie ein zweiter Job, aber man muss es als Hobby sehen, sonst wird man nicht glücklich. Man muss sehen, wie viel Freude es einem bereitet und wofür man es macht.

Elisabeth Albrecht bringt Köchen und Küchenmeistern das Handwerk bei.
Elisabeth Albrecht bringt Köchen und Küchenmeistern das Handwerk bei. © Foto: Köcheclub Ratisbona e.V.

Wofür machen Sie es denn?
Bei Einzelwettbewerben und in der Jugendnationalmannschaft der Schweiz hatte ich selbst Trainer, die mich unterstützt und mir Sachen beigebracht haben. Davon profitiere ich immer noch. Dafür bin ich sehr dankbar und das möchte ich zurückgeben.

"Kochen ist eine Art Sport"

In Deutschland wissen nur wenige, dass es eine Köche-Nationalmannschaft gibt. Sind die Wettbewerbe nur für Köche interessant?
Kochen ist eine Art Sport, bei dem man sich beweisen kann. Es ist sehr spannend, da zuzuschauen - das zeigen auch die vielen Kochshows, die es gibt. Bei der Weltmeisterschaft gibt es den Wettbewerbsmodus "Restaurant of Nations". In einer Messehalle werden Tische aufgestellt, die Teams kochen in gläsernen Boxen. Mit einem Ticket kann man zusehen und das Menü essen.

Ist das für die Köche nicht noch stressiger, beobachtet zu werden?
Es ist für Köche schön, zu zeigen, was sie können. Wenn Menschen nicht nur satt werden, sondern etwas erleben wollen, ist das eine Wertschätzung. Auch deswegen gibt es in immer mehr Restaurants offene Küchen - die entweder mitten im Restaurant sind oder zumindest einsehbar.

Sie trainieren die Elite des Nachwuchses, bilden aber auch Köche ab dem ersten Lehrjahr aus. Ist der Spagat so groß, wie er klingt?
Es ist ein großer Spagat, aber es passt sehr gut zusammen. Ich kriege die ganze Bandbreite mit. Man ist offener und verständnisvoller, wenn man sieht: Es gibt solche und solche Menschen. In der Schule ist es demotivierend, wenn manche Schüler mal keine Lust haben und nicht richtig mitmachen. Die Arbeit mit der Mannschaft und meinen Trainerkollegen ist umso motivierender, weil alle Vollgas geben und dankbar für die Unterstützung sind.

"Der Beruf ist flexibler als man denkt"

Wann merken Sie bei Ihren Schülern, wer da Potenzial hätte, ein ganz großer Koch zu werden?
Das merkt man schnell, es kann sich aber auch wandeln. Man sollte niemanden abschreiben. Talent ist nur ein kleiner Teil, das meiste kann man lernen. Oft haben Schüler ein Erlebnis, bei dem es Klick macht und echte Motivation kommt. Wenn die da ist, kann man eigentlich alles schaffen.

In der Köche-Jugendnationalmannschaft sind ja auch zwei Regensburger.
Das sind ehemalige Schüler von mir, beide sind noch nicht lange fertig. Ich hatte sie angesprochen, ob sie Interesse an der Mannschaft hätten. Sie müssen das aber selbst wollen - es nützt nichts, wenn ich jemanden ernenne, der nicht dahinter steht.

Wer wird heute noch Koch?
Vor allem kreative Menschen, Freigeister. Aber nicht nur. Der Beruf ist flexibler, als man meint. Man kann auch geregelte Arbeitszeiten haben, etwa in Großküchen im Krankenhaus. Man kann in einen Betrieb gehen, in dem die Speisekarte sich nie ändert, oder in einen, in dem jede Woche etwas anderes gekocht wird. Wer reisen will, kann das machen. Gekocht wird auf der ganzen Welt. Wir haben viele Schüler mit Migrationshintergrund - das finde ich super. Sie bringen neue Inspirationen mit. Es gibt auch ein paar Späteinsteiger, die erst nach einem Studium oder einer Ausbildung gemerkt haben, dass sie eigentlich kochen möchten. Sie bringen oft Leidenschaft mit und sind voll dabei.

"Neue Techniken muss ich abseits der Küche suchen"

Stressresistent muss man als Koch schon sein, oder?
Der Beruf ist sehr stressig, wenn man sich für ein Top-Restaurant entscheidet. Der Kick gehört dazu - viele Köche sagen, sie brauchen das. Man arbeitet oft an der Grenze des Machbaren. Aber wenn's dann gut gegangen ist, dann ist das Erfolgserlebnis umso größer.

In Ihrem Beruf und in Ihrem Ehrenamt dreht sich alles ums Kochen. Und zu Hause?
Für mich ist Kochen zu Hause entspannend, fast meditativ. Ich bekoche auch gerne meinen Mann und Freunde. Aber ich koche selten das Gleiche und probiere sehr viel aus. Wenn man neue Techniken finden will, muss man auch abseits der Küche suchen. Zum Beispiel im Baumarkt. Wenn ich Kartoffeln aushöhle, um Platz für eine Füllung zu schaffen, nutze ich dafür einen Akkuschrauber mit Forstnerbohrer-Aufsatz. Einen Bunsenbrenner kann man beim Anrichten von Desserts gut gebrauchen. Kochen ist auch Handwerk. Der Baumarkt ist ein beliebter Ort für Köche, die auf der Suche nach etwas Neuem sind.

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