Kloster Ettal: Die Mauer geht wieder hoch

ETTAL - Das Kloster Ettal stellt ausgewählten Journalisten den Abschlussbericht von Thomas Pfister vor. Doch der Sonderermittler selbst ist nicht eingeladen. Das Erzbistum zeigt sich „befremdet“.
Eklat um die Vorstellung des Abschlussberichts zu den Missbrauchs- und Prügelvorwürfen in Ettal: Das Erzbistum München und Freising und Sonderermittler Thomas Pfister reagierten verärgert, weil das Kloster den Bericht am Dienstag ohne sie vorgestellt und die Zusammenarbeit mit Pfister beendet hat. Ein Bistumssprecher sagte, es sei befremdlich, dass die Untersuchung nur einigen handverlesenen Journalisten vorgestellt und nicht einmal Pfister selbst eingeladen gewesen sei. In dem Bericht ist von vielen hundert Opfern die Rede.
Der Sonderermittler habe seinen Bericht im Auftrag des Erzbistums und des Klosters erstellt, unterstrich Bistumssprecher Bernhard Kellner. „Wir sind mit seinem Bericht sehr zufrieden – umso befremdlicher ist das Vorgehen des Klosters“, sagte er. „Uns befremdet, dass jetzt plötzlich ein anderer Rechtsanwalt die Ergebnisse von Pfister interpretieren soll.“ Das sei „nicht zielführend“.
Künftig will das Kloster sich von dem Juristen Hans Günter Huniar beraten lassen. Zur Begründung hieß es, dass Pfisters Arbeit in der Aufklärung abgeschlossen sei und es jetzt um die Aufarbeitung gehe. Der zurückgetretene Abt Barnabas Bögle sagte, die Aufgabe des externen Ermittlers sei es gewesen, zu sammeln. Jetzt sei es wichtig, dass derjenige, der als Rechtsberater ein Auge darauf werfe, ein anderer sei.
„Leere Versprechungen“
Pfister warf der Abtei neue Beschwichtigungsversuche vor. „Die Klostermauern werden wieder hochgezogen. Offenheit und Transparenz waren leere Versprechungen“, sagte er der Nachrichtenagentur DAPD. Dass das Kloster den Bericht ohne ihn oder Bistumsvertreter vorgestellt habe sei, „wie wenn der Patient den Arztbericht vorstellt und erklärt, welche Krankheit vorliegt und was man dagegen tun kann.“
Er hätte dem Kloster empfohlen, sich der Vergangenheit zu stellen, sagte Pfister. Aber die Benediktinerabtei wolle die festgestellten Sachverhalte lieber „selektiv und subjektiv“ selbst deuten: „Es ist leicht zu durchschauen, da soll wieder das Süppchen hinter den Klostermauern gekocht werden“, sagte der Anwalt. Sehr überrascht sei er allerdings nicht.
Pfister hatte bereits in seinem Bericht kritisiert, dass „die Mauer des Schweigens“ bis zu seiner Beauftragung als Sonderermittler perfekt funktioniert habe. „Ohne den aktuellen 'Eingriff von Außen' wären die aufgezeigten Straftaten wohl niemals ans Tageslicht gekommen.“
„Sadistisch gequält und sexuell missbraucht“
Pfister geht seinem Abschlussbericht zufolge von vielen hundert Fällen aus. Die ihm zur Verfügung gestellten Leidensberichte seien nur die „Spitze des Eisbergs“. Da darin häufig auch noch andere Opfer genannt würden, ergebe sich, „dass viele hundert Schüler - die genaue Anzahl lässt sich selbstverständlich nicht beziffern - Opfer teilweise extrem brutaler Misshandlungen wurden“.
In Ettal seien über Jahrzehnte hinweg Kinder und Heranwachsende „brutal misshandelt, sadistisch gequält und nicht zuletzt auch sexuell missbraucht wurden“, schreibt Pfister. Täter seien Patres gerade auch aus der Führungsebene des Klosters gewesen. Die Straftaten seien „systematisch und letztlich vollständig offen“ praktiziert worden. Auch den nicht prügelnden Patres hätten die Erziehungsmethoden bekannt sein müssen.
Laut Kloster sollen 15 Patres aus Ettal, drei ehemalige weltliche Erzieher und ein Pater aus einem anderen Konvent missbraucht oder geschlagen haben. Sieben der Mönche sind nach Klosterangaben bereits verstorben. Die Vorwürfe beziehen sich auf die Jahre 1953 bis 2009.
DAPD