Kleiner Ali: Gutachter lösten das Rätsel um seinen Tod
NÜRNBERG - Wer ist schuld am Tod des kleinen Ali (5), der nach einer harmlosen Operation durch einen Nürnberger HNO-Arzt qualvoll erstickte? Jetzt, knapp ein Jahr nach dem tragischen Tod des Jungen, konnten Rechtsmediziner der Uni Erlangen im Auftrag der Staatsanwaltschaft den Fall lösen.
Die entscheidende Frage, die sich den Experten im gerichtsmedizinischen Institut stellte, war nicht, ob die ambulante Operation (Entfernung von Polypen im Hals des Jungen) sachgerecht ausgeführt wurde. Das stand von vornherein außer Frage. Entscheidend war, was hinterher passierte. Und in diesem Punkt gehen die Aussagen aller Beteiligten weit auseinander.
Alis Vater gab gegenüber den Vernehmungsbeamten der Kripo an, dass sein Sohn noch sehr benommen war und getragen werden musste, als er mit ihm die Praxis in der Nürnberger Innenstadt nach dem Eingriff verließ. Der Arzt, vor allem aber seine Praxis-Mitarbeiterinnen, stellen dies ganz anders dar. Sie erklärten gegenüber der Polizei, dass Ali zu diesem Zeitpunkt putzmunter gewesen sei.
Was stimmt, was stimmt nicht?
Mehrfach hatte Alis Vater auf die starke Benommenheit seines Sohnes hingewiesen
Bei der Spurensuche stießen die Rechtsmediziner im Leichnam des Buben auf die Rückstände eines Narkosemittels, das ihm von einem eigens angeforderten Anästhesisten verabreicht worden war. Dem Gutachten zufolge dürfte hier die erste schwere Panne passiert sein. Die Rechtsmediziner gehen davon aus, dass dem Jungen mehr als das Doppelte der notwendigen Dosis eingeflößt worden ist.
Diese Erkenntnis spricht zum einen dafür, dass die Aussage von Alis Vater stimmt, wonach sein Sohn beim Verlassen der Praxis noch stark benommen gewesen sei. Zum anderen würde eine derart hohe Dosierung auch erklären, warum der Bub fünf Stunden nach der Operation erstickte. Wie sich nämlich herausstellte, war es an den Operationsnarben zu Nachblutungen gekommen. Im Normalfall wäre das kein Problem, da der Körper mit Hustenreiz darauf reagiert und das Blut ausgespuckt wird. Doch dieser automatische und lebensrettende Reiz wurde durch das Narkosemittel unterdrückt.
Besonders fatal wirkte sich allerdings auch noch ein anderer Umstand aus. Mehrfach hatte Alis Vater nach dem Eingriff in der Praxis angerufen und auf die starke Benommenheit seines Sohnes hingewiesen. Ohne weitere Rückfragen beim Arzt, so seine Darstellung, sei er jedoch von einer Praxishelferin mit den Worten „Das wird schon wieder“ abgewimmelt worden. Als er sich nicht mehr zu helfen wusste und den Notarzt rief, war Ali nicht mehr zu retten. Er war am eigenen Blut erstickt.
Rechtsanwalt Thomas Dolmany, der die Familie des Jungen vertritt, ist sich ganz sicher: „Ali hätte nicht sterben müssen.“ Die Staatsanwaltschaft prüft jetzt, welche weiteren juristischen Schritte eingeleitet werden müssen und wer sich für den Tod des Jungen aus Mögeldorf zu verantworten hat.Helmut Reister