Berchtesgadener Land: Ein Paradies mit einigen Problemen

Bad Reichenhall - Keine Pestizide, kein chemischer Dünger – und trotzdem gibt es im Reichenhaller Ortsteil Karlstein keinen Biobauern, sagt Landwirt und Kreisobmann Hans Gruber. Dafür höchst unterschiedlich genutzte Wiesen.
Zudem gibt es ein Problem: Investoren, die Interesse an landwirtschaftlichen Flächen haben, sagt Maria Krammer, Kreisbäuerin im Berchtesgadener Land. Mittlerweile wird sogar "auf Vorrat" gekauft.
"Die Natur gibt halt den Zeitplan vor": Bald wird im Berchtesgadener Land gemäht
Milchviehbauer Gruber hat zu einer Wiesenbegehung eingeladen – für ein besseres gegenseitiges Verständnis für die Arbeit von Landwirten. Gewöhnliche Bürger sind der Einladung gefolgt. Auch ein Naturschützer ist gekommen.
Den dritten Schnitt hat Hans Gruber vergangene Woche bereits erledigt. "Wir sind so wahnsinnig bald dran dieses Jahr", sagt er. "Die Natur gibt halt den Zeitplan vor." Normalerweise würde es noch knapp zwei, drei Wochen dauern, bis gemäht wird. Der Landwirt steht auf einem großen Feld, um ihn herum nichts als Wiesen und ein Blick auf Karlstein und die umliegenden Berge.
Gruber ist seit rund zwei Jahren Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands im Berchtesgadener Land. Die Landwirtschaft in der Region gilt als kleinstrukturiert. Kein Ackerbau, nur Grünland gibt es.
Einige Bauern im Berchtesgadener Land geben auf
Einige Bauern haben in den vergangenen Jahren aufgegeben. Die verbliebenen kämpfen damit, weiterhin wirtschaftlich arbeiten zu können, mit den wenigen Milchkühen und den paar Hektar Land, die ein kleiner Bauer im Durchschnitt hier bewirtschaftet. Doch die Bundesregierung will die Tierhaltung reduzieren, sagt er.
"Das heißt, dass es aus unserem Produkterlös immer weniger Geld gibt", sagt Gruber. Wenn die fehlenden finanziellen Mittel dann nicht von woanders herkommen, "können wir von der Landwirtschaft und den Tieren nicht mehr leben". Das "riesige Bürokratiemonster", bei dem mittlerweile "alles tot reguliert ist", zerstöre den Rest an Wirtschaftlichkeit.
"Viel Energie im Futter"
Worauf es ihm bei der Bewirtschaftung ankommt: "Ich möchte viel Energie im Futter haben." Eine hohe Energiedichte sei wichtig für sein Vieh. Für eine nicht gedüngte Wiese beim ersten Schnitt seien 6,8 Megajoule bei 178 Gramm Rohprotein "ganz ordentlich", sagt Gruber und hat dabei einen freudigen Gesichtsausdruck.
Was er sagen will, ist: Das Grünland im Berchtesgadener Land ist energiereich. Energiereicher als anderswo. Die Böden seien gut, sechs Schnitte pro Jahr grundsätzlich kein Problem. "Wir können es uns nicht leisten, das stehen zu lassen."

Erst kürzlich wurden Bodenproben genommen. Wie viel Stickstoff ist im Boden? Wie viel Phosphor und Kalium? Alle sechs Jahre, sagt der Kreisobmann, finden diese statt. "Die Bodenuntersuchungen stimmen wir Landwirte mit unseren Zielen ab und gleichen es auf unsere Wirtschaftlichkeit hin ab."
Weniger Flächen, weniger Bauern
Die Wirtschaftlichkeit aber sei es, die mittlerweile zum Problem geworden ist: "Unsere Flächen werden knapper, wir werden immer weniger Bauern", sagt Gruber. Bayern werde zugebaut. Die Politik muss "endlich verantwortungsvoll mit der übrig gebliebenen Fläche umgehen".
Gleichzeitig steigt zudem die Anzahl derer, die in landwirtschaftlichen Flächen mögliche Profite sehen und mit viel Geld kaufen, sobald sich die Möglichkeit ergibt. Ein aktiver Bauer würde zwar nie verkaufen, weiß Gruber, aber wenn es an die Übergabe oder ans Erbe geht, können verheißungsvolle Angebote selbst Landwirte locken.
Naturschützer Michael Wittmann, Vorsitzender der Ortsgruppe Bad Reichenhall beim Bund Naturschutz im Berchtesgadener Land, kritisiert den Verbau der Flächen ebenfalls sowie das zunehmende Investoreninteresse.
Erst kürzlich waren im südlichen Berchtesgadener Land mehrere bäuerliche Anwesen samt Flächen an auswärtige Käufer veräußert worden.
Preise für Land sind für die Bauern zu hoch
Kreisbäuerin Krammer sagt: "Die Preise für Grund und Boden sind durch die Decke geschossen. Als Landwirt kann man das nicht mehr zahlen."
Die Städter zahlten Preise, "da kann kein anderer mehr mithalten". Mit dem gestiegenen Interesse würden landwirtschaftliche Flächen in Zukunft immer teurer eingestuft. Tatsächlich winken dann Millionensummen.
Zurück zur Wiese: Ein Spagat zwischen Klima- und Tierschutz sei die bodennah auf den Feldern ausgebrachte Gülle, sagt Gruber. Im März ausgebracht, sei dies ideal. Zu diesem Zeitpunkt sei es noch kalt bis zum ersten Schnitt. Im Sommer bringt Gruber wenig Gülle - "viel Wasser, wenig Scheiße" - aus, im Herbst dann noch einmal. "Wir haben hier einen Kleeanteil von rund 30 Prozent, der den Stickstoff aus der Luft fixiert", sagt der Kreisobmann.
Naturschützer Wittmann freut sich nicht nur über die Artenvielfalt in jenen Flächen, die nur selten geschnitten werden: Kräuter, Spitzwegerich, Kamille, "ja, da wächst einiges", bestätigt auch Gruber.
Kein Futter aus Brasilien
Gleichzeitig lobt Wittmann auch die Arbeit der Bauern und deren Kompromissbereitschaft in zudem schwierigen Zeiten: dass sie ihre Tiere mit dem Schnitt der heimischen Flächen versorgen, "kein Kraftfutter aus Brasilien, alles aus der Region", sagt Wittmann. "Das Grünland ist unsere Hauptfuttergrundlage", so Gruber.
Bei der Wiesenbegehung führt der Weg ins Nonner Oberland, vorbei an feuchten Streuwiesen, die als Schilf im September gemäht werden - für Einstreu als Strohersatz. Im Frühling seien das Blumenwiesen, so Wittmann, die Arbeit der Landwirte im Blick habend. Das Schilf erstickt dann die Fauna, später wachsen dort wieder Blumen.
Landwirt Gruber: "Wir leben hier echt noch im Paradies"
Den Naturschützer, der immer wieder Vorträge abhält, freut sich über den hier lebenden Artenreichtum. Und Landwirt Gruber ergänzt: "Bei uns kommen auch die Greifvögel wieder zurück." Bussarde und Turmfalken kreisten über den Feldern, ein Milan habe sich schon hierher verirrt.
Bei der Begehung angekommen im Nonner Oberland, bietet sich ein grandioser Weitblick über die Grünlandflächen der Region. "Wir leben hier echt noch im Paradies", sagt Landwirt Gruber. "Was wir wollen, ist, als kleine Landwirte überleben zu können."
Das habe seit Jahrhunderten geklappt. "Und wir lassen uns das alles auch nicht kaputtmachen."