Klausurtagung in Seeon: Die CSU platzt vor Bürgerlichkeit

In Seeon ruft die CSU zur "konservativen Revolution" auf. Chef Horst Seehofer warnt vor "Besserwisserei" – und einer darf erst gar nicht ins Kloster.
Gerald Schneider, Ralf Müller |
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Guns N’ Roses sang einst den Klassiker "November Rain". Beim CSU-Trio v.l. Andreas Scheuer, Horst Seehofer und Alexander Dobrindt hieß es vorm Kloster "Januar Rain".
Gebert/dpa Guns N’ Roses sang einst den Klassiker "November Rain". Beim CSU-Trio v.l. Andreas Scheuer, Horst Seehofer und Alexander Dobrindt hieß es vorm Kloster "Januar Rain".

Grauer Nieselregen statt Chiemgauer Winteridylle – das Wetter meinte es am Donnerstag nicht gut mit den Christsozialen. Doch davon wollte sich die CSU nicht irritieren lassen, auch wenn die traditionellen Eingangsstatements nicht im Freien, sondern im Tagungsraum hinter den Seeoner Klostermauern stattfanden.

Bei der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe wollen die Abgeordneten eine "bürgerlich konservative Wende" einläuten. "Deutschland ist keine linke Republik", sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Es brauche eine "konservative Revolution der Bürger".

Der Ex-Verkehrsminister schaffte es, in seinem Statement innerhalb einer Minute sechs mal die Vokabel "bürgerlich" oder "konservativ-bürgerlich" unterzubringen. Und wo genau er die vom ihm so ausgemachte alt linke Unterwanderung sieht, kann er nicht genau definieren.

Seehofer: GroKo "kann gelingen"

Die "gedankliche Verlängerung des Sozialismus" und die "Bevormundung, die dahinter steht", seien zu überwinden, erklärte Dobrindt. Das hört sich nach der "geistig-moralischen Wende" an, mit der schon Helmut Kohl im Bundestagswahlkampf 1980 operierte.

Klausur-Gast und Parteichef Horst Seehofer mochte sich auf diese ideologische Debatte nicht einlassen. Er verlegte sich als CSU-Chefunterhändler darauf, den gewünschten Koalitionspartner SPD zu beruhigen.

Der CSU-Chef zeigte sich zuversichtlich, dass es zu einer Neuauflage der GroKo kommt: "Dieses Projekt kann gelingen", allerdings nur, wenn die SPD "in der Sache nicht überzieht, was im Bereich des Möglichen liegt". Alle Alternativen, also Minderheitsregierung oder Neuwahlen, "gefallen mir überhaupt nicht", sagte Seehofer.

Der AfD sagt die CSU bei der dreitägigen Klausur den Kampf an – es geht um Tausende Wähler, die zu den Rechtspopulisten abgewandert sind und welche die CSU für die so wichtige Landtagswahl heuer zurückgewinnen will. Gelingen soll das mit einer Vielzahl von Papieren. Die wollen die Abgeordneten beraten und verabschieden. So sollen die Asylbestimmungen verschärft werden (siehe unten). Klar positioniert sich die CSU zur Bürgerversicherung: "Die lehnen wir ab", machte Generalsekretär Andreas Scheuer deutlich. Für ihn ist die Tagung in Seeon "keine Klausur der Provokation", sondern eine der "Standortbestimmung".

Am Freitag kommt Orban

Ziel ist laut Scheuer ein "schlankes Europa", dafür aber "ein starkes Europa der Regionen und der nationalen Identitäten". Darüber will die CSU ausgerechnet mit einem Vertreter Großbritanniens und Ungarns reden – den beiden Staaten, die entweder die EU verlassen wollen oder sich immer wieder den europäischen Regeln entziehen.

Scheuer verteidigte die Einladung des britischen Wirtschaftsministers Greg Clark. Großbritannien sei zweitstärkster Wirtschaftspartner Bayerns. Und Orban, der am Freitag in Seeon eintrifft, sei mehrmals demokratisch gewählt worden, rechtfertigt Seehofer das Kommen des Staatschefs. "Ich bin nicht der Oberlehrer Ungarns", meint der CSU-Boss. Er würde der EU empfehlen, Probleme im Gespräch miteinander zu lösen. Man solle vorsichtig sein mit "Besserwisserei".

Einer fehlt auf der Wintertagung bei herbstlichem Wetter: Seehofers designierter Nachfolger als Ministerpräsident, Finanzminister Markus Söder. Er soll seinen großen Auftritt bei der Klausur der Landtagsfraktion vom 15. bis zum 18. Januar in Banz haben. Den Bundespolitikern soll er in Seeon offenbar nicht die Show stehlen.


Winterklausur: Die Forderungen der CSU

ZUWANDERUNG: Die CSU fordert Leistungenkürzungen für Asylbewerber (AZ berichtete). Und Antragsteller sollen Asyl und Schutzstatus künftig erst dann erhalten, wenn ihre Identität zweifelsfrei geklärt wurde – insbesondere bei jungen Flüchtlingen. Deren Alter solle „standardmäßig durch geeignete Untersuchungen festgestellt werden“, heißt es in einem Papier. Die CSU fordert auch mindestens 15.000 zusätzliche Polizei-Stellen.

EUROPA/VERTEIDIGUNG: Die Partei will schärfere europäische Regeln in der Flüchtlingspolitik. Asylverfahren sollen an den EU-Außengrenzen erfolgen, ebenso Abschiebungen von dort aus. Die CSU wendet sich gegen die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ von SPD-Chef Martin Schulz, die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei sollten sofort abgebrochen werden.

NEUE STRUKTURPOLITIK: Die CSU fordert eine Offensive für ländliche Regionen. Netzanbieter will die CSU zwingen, Funklöcher zu schließen. Der Bund soll jährlich drei Milliarden Euro für den Ausbau des schnellen Internets ausgeben.

UND SONST: Weitere Papiere beschäftigen sich mit der Bildungspolitik, mit Wirtschaft und Digitalisierung sowie der Familienpolitik. Dort bekräftigt die CSU die Forderung nach einer Kindergeld-Erhöhung von 25 Euro pro Monat.

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