Klartext-Politiker spricht über Multikulti-Irrtümer

Sozialdemokratischer Provokateur oder Realist? Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, war zu Gast in der Villa Leon. Statt Krawall gab’s Lehrstunden aus der Realität
von  Abendzeitung
Heinz Buschkowsky (Mitte) mit Nürnbergs SPD-Boss Christian Vogel und Migrations-Expertin Gabriela Heinrich.
Heinz Buschkowsky (Mitte) mit Nürnbergs SPD-Boss Christian Vogel und Migrations-Expertin Gabriela Heinrich. © bayernpress.com

Sozialdemokratischer Provokateur oder Realist? Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, war zu Gast in der Villa Leon. Statt Krawall gab’s Lehrstunden aus der Realität

NÜRNBERG Wer die x-te Auflage einer der unzähligen Talkshows zum Thema Migration, Islam und Überfremdung mit den ewig gleichen Argumenten, den ewig gleichen Schuldzuweisungen, dem ewigen Hin und Her zwischen politisch korrektem Beschwichtigen und dumpfer Feinbild-Dresche erwartet hatte, der wurde enttäuscht...

Zwar ist Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, nicht erst seit Thilo Sarrazins Buch „Deutschland schafft sich ab“ Dauergast bei Maischberger, Illner und Co. Sein Auftritt in der Villa Leon im Rahmen der „Nürnberg neu“-Gespräche der lokalen SPD allerdings wurde ein ganz anderer. Denn: Es fehlten die Radaubrüder von rechts, die Berufsbetroffenen von links, die Taktierer der Islam-Verbände und Moderatoren, die alles zulassen, bloß keine reflektierte Betrachtung.

Klartext-Politiker Buschkowsky wollte eine halbe Stunde lang referieren, daraus wurden zwei. Sein Thema: die Realität in den Kiezen von Neukölln, einem Berliner Stadtteil mit einem Zuwandereranteil von 50 bis 70 Prozent. Aber dieses Neukölln, spätestens seit dem Skandal um die Rütli-Schule bundesweit als Prototyp des „Ausländer-Ghettos“ gebrandmarkt, unterscheidet sich nicht so sehr von Nürnberg-Gostenhof oder -St. Leonhard, wo Buschkowsky sprach. „Es gibt viele Neuköllns in Deutschland“, stellte er fest.

„Paradigmenwechsel in der Familienpolitik“

Gabriela Heinrich, Integrationspolitische Sprecherin der Nürnberger SPD, lieferte die Zahlen: Ein Drittel der Nürnberger hat Migrationshintergrund. Ein Zehntel von ihnen verlässt die Schule ohne Abschluss, und fast ein Viertel von ihnen hat keinen Job.

In Buschkowskys Ausführungen wurde deutlich, was ihn von (Noch-)Parteifreund und Ex-Bundesbanker Thilo Sarrazin unterscheidet: Statt anzuprangern und zu skandalisieren, statt eines „Sprüche-Tsunamis“ (Buschkowsky) bietet er Lösungen an. Etwa: „Bei sozial schwachen Kindern muss der Staat an die Stelle der Eltern treten.“ Den „Paradigmenwechsel in der Familienpolitik“ fordert er, „Kindergartenpflicht ab einem Jahr“ – und wenn es nur „für ein paar Stunden in der Woche“ ist. Natürlich flächendeckend Ganztagsschulen. Sozialdemokratische Kernaussagen sind das, und das Parteivolk applaudiert.

Doch seiner Berliner Schnauze entfuhren auch knackige Sprüche, etwa: „Kommt das Kind nicht auf die Schule, kommt das Kindergeld nicht aufs Konto!“ Dem unkritischen „Dialog“ mit ewig fordernden, vom Ausland gesteuerten Verbänden wie der türkischen Religionsbehörde Ditib erteilte er eine klare Absage. Ebenso Befreiungen vom Sport- und Sexualkundeunterricht für muslimische Schüler. Aussagen, die untermauerten, warum der bodenständige Ur-Neuköllner einst als „Rechtsausleger“ seiner Partei gebrandmarkt wurde.

Was er sicher nicht ist, stattdessen Realist: Die einfache demografische Rechnung, wer und wie in den kommenden Jahrzehnten das deutsche Rentensystem finanzieren muss, könnte Buschkowsky recht geben. Deutschland muss seine Migranten endlich integrieren.

Steffen Windschall

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