Kindsvater will von nichts etwas gewusst haben

Im Prozess um die versuchte Tötung des Flughafen-Babys Franzi sagte am Freitag der Vater des Kindes aus. Und die Mutter versuchte, sich rauszureden.
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Die Angeklagte Soraya Y. am 03.05.2016 im Verhandlungssaal des Landgerichts Landshut.
Die Angeklagte Soraya Y. am 03.05.2016 im Verhandlungssaal des Landgerichts Landshut. © dpa

Landshut - Dem psychiatrischen Sachverständigen gegenüber hatte sie bereits Anfang dieses Jahres kundgetan, dass sie das Sorgerecht für ihr Kind will. Nun hat die wegen Totschlags angeklagte Soraya Y. auch vor dem Schwurgericht des Landgerichts über ihren Verteidiger Dr. Adam Ahmed eingeräumt, dass sie die Mutter des Säuglings ist, der am 30. Juli 2015 auf einer Parkhaustoilette am Münchner Flughafen gefunden und mit viel Glück und Einsatz der Helfer gerettet worden ist.

Sie sei von einer Fehlgeburt ausgegangen und habe das Baby im Schock verlassen, hieß es in einem beschlagnahmten Brief der 24-Jährigen an ihre Eltern, der gestern vor Gericht verlesen wurde.

Diesen Angaben widersprach jedoch  eine Rechtsmedizinerin, die davon ausging, dass das Mädchen zum Zeitpunkt der Geburt gesund gewesen ist: Y. habe sich mindestens fünf Minuten in der Toilette aufgehalten. In dieser Zeit hätte das Baby Lebenszeichen von sich geben müssen.

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Blasensprung vorm Kassenautomat statt Geburt in Dubai

Die von Staatsanwalt Klaus Kurtz vertretene Anklage legt der gelernten Erzieherin versuchten Totschlag in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zur Last. Die 24-jährige Deutsch-Türkin, die vor Gericht nur selten Gefühlsregungen zeigt, soll nach ihrer Rückkehr aus dem Golf-Emirat Dubai, wo sie sich für ein halbes Jahr als Au-Pair-Mädchen aufgehalten hatte, in der Toilettenkabine des Parkhauses P20  ein Kind zur Welt gebracht haben.

Die Angeklagte soll das Baby stranguliert haben, indem sie die Nabelschnur mehrfach um dessen Hals schlang. Dann soll sie es mit der Plazenta  voran in das Toilettenbecken gestopft und die Spülung betätigt haben, um es zu beseitigen, so die Anklage. Um 14.51 Uhr wurde das Neugeborene in einem lebensbedrohlichen Unterkühlungszustand aufgefunden.

Die Eltern von Soraya Y., die beide vor Gericht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatten, wollen dem Vernehmen nach von der Schwangerschaft nichts gewusst haben. In dem Brief an ihre Eltern schrieb die 24-Jährige, sie habe geschwiegen, weil sie ihre Eltern nicht habe enttäuschen wollen; sie seien doch so stolz darauf gewesen, dass sie die Stelle in Dubai bekommen habe. Sie habe ihre Schwangerschaft mithilfe weiter Kleider geheim gehalten und beabsichtigt, das Kind in Dubai zur Welt zu bringen. Dort hätte sie es dann vor eine Moschee gelegt. Von der Geburt am Münchner Flughafen sei sie dann völlig überrascht worden.

Dem psychiatrischen Sachverständigen gegenüber hatte Soraya Y. ebenfalls angegeben, sie sei völlig überrascht gewesen, als ihr vor dem Kassenautomat des Parkhauses die Fruchtblase geplatzt sei. Dies sei ihre letzte Erinnerung; die nächsten Bilder würden erst wieder abends in ihrem Elternhaus einsetzen.

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Psychater: "Sie war sich sicherlich der Schwangerschaft bewusst."

Der Sachverständige geht davon aus, dass bei Soraya Y. keine Schwangerschaftsverdrängung vorlag: "Sie war sich sicherlich der Schwangerschaft bewusst." Zudem würde eine Schwangerschaftsverdrängung allein nicht ausreichen, um die Steuerungs- und damit die Schuldfähigkeit einzuschränken. Dazu bedürfe es einer schweren akuten Belastungssituation, so der Gutachter.

Natürlich habe sich Y. auf der Toilette in einer psychischen Ausnahmesituation befunden, aber von einer schweren akuten Belastungssituation gehe er nicht aus. Die Angeklagte mache eine derartige zwar geltend, indem sie von einem Blackout spreche, aber dagegen spreche, so der Gutachter, dass ein Zeuge sie wenige Stunden nach der Geburt als völlig normal beschreibt und mit ihr sogar Intimitäten ausgetauscht hat. Wie der Sachverständige sagte, dauere eine schwere akute Belastungssituation mehrere Stunden bis zu einem Tag; "und sie würde definitiv auffallen".

Kindsvater: "Wäre besser gewesen, ich hätte öfter nachgefragt"

Am ersten Verhandlungstag war bekannt geworden, dass es Anhaltspunkte für weitere Schwangerschaften von Soraya Y. in den Jahren 2012 und 2014 gibt. Wie die Staatsanwaltschaft Ellwangen zwischenzeitlich mitgeteilt hat, müsse nun geklärt werden, wie die Schwangerschaften verlaufen seien und ob sie zu Geburten geführt haben. Es gebe aber keine Hinweise auf Entbindungen in Krankenhäusern. Es werde auch gegen die Eltern der Angeklagten wegen versuchten Totschlags ermittelt.

Wie der junge Mann, der 2014 eine On-Off-Beziehung mit der 24-Jährigen geführt hat und auch der Vater des Flughafen-Baby ist, gestern vor Gericht sagte, habe die Angeklagte im Frühjahr 2014 ganz klar einen Schwangerschaftsbauch gehabt. Nachdem ihn auch Eltern und Bekannte darauf hingewiesen hätten, habe er Y. zur Rede gestellt. Sie habe den Bauch mit einer Brustkrebserkrankung begründet, später mit einem Gehirntumor, so der 22-Jährige. Aufgrund dieser Erkrankungen müsse sie Tabletten nehmen, die zur Folge hätten, dass sich hauptsächlich in ihrem Bauch Wasser ablagere. Ein Schwangerschaftstest, den er ihr abgerungen habe, sei negativ ausgefallen. „Aber ich durfte ja nicht mit auf die Toilette.“

Man sei dann zwischenzeitlich wieder getrennt gewesen - später habe sie wieder einen schlanken Bauch gehabt. "Wäre besser gewesen, ich hätte öfter nachgefragt", sagte der junge Mann am Freitag.

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt.

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