Kinder missbraucht: So vertuscht die Kirche ihre Skandale

Verschleppungstaktik der Führung an der Tagesordnung. Versetzung an andere Wirkungsstätte statt Anzeige.
NÜRNBERG Drei Jahre ist es her, da gab Papst Benedikt XVI. im Umgang mit pädophilen Priestern die Marschroute der Kirche aus: völlige Aufklärung und Bestrafung, Vorbeugung gegen Wiederholung, Hilfe für die Opfer. Die Wirklichkeit, wie auch zahllose Fälle aus unserer Region belegen, sieht allerdings ganz anders aus.
Domkapitular Otto M. (64) etwa, bis zu seiner Suspendierung im Jahr 2008 einer der engsten Mitarbeiter des Bamberger Erzbischofs, profitierte vom Deckmantel des Schweigens, den die katholische Kirche so gern über ihre eigenen schwarzen Schafe wirft.
Längst war der Kirchenleitung bekannt, dass der hochrangige Gottesdiener in seiner Eigenschaft als Direktor eines Internats nicht nur das Seelenheil der ihm anvertrauten Schüler im Auge hatte. Doch die belastenden Aussagen von Missbrauchsopfern, die dem Anspruch der katholischen Kirche als höchste moralische Instanz einen schweren Kratzer zufügen hätten können, verschwanden in den Schubladen erzbischöflicher Bürokratie.
Erst als sich eines der Opfer an die Öffentlichkeit wandte und Medien über den Fall berichteten, startete die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen. Für eine Ahndung jedoch war es zu spät: Alle Fälle waren verjährt.
Die Verschleppungstaktik der katholischen Kirche zur Vermeidung schwerer Imageschäden auf Kosten der Opfer funktionierte auch an anderer Stelle. Der frühere Ortsgeistliche von Ebersdorf (Kreis Coburg), Wolfdieter W., kam wegen der kirchlich praktizierten Omerta mit zwei Jahren Haft auf Bewährung davon. Verurteilt wurde er lediglich wegen des Missbrauchs von drei Buben im Alter zwischen acht und elf Jahren, obwohl im Prozess herauskam, dass der Geistliche seine Triebe mit strafrechtlicher Relevanz schon an früheren Wirkungsstätten nicht im Griff hatte.
Schon die Staatsanwalt in Koblenz hatte gegen ihn ermittelt, danach die Behörden in Unterfranken. Die Kirche „löste“ das Problem jeweils mit seiner Versetzung an einen anderen Ort.
Drei Jahre Haft kassierte wegen sexuellen Missbrauchs von zwölf minderjährigen Buben Pfarrer Franz K. aus der oberpfälzischen Gemeinde Georgenbergen. Auch in diesem Fall warfen die Eltern von Opfern der zuständigen Diözese Regensburg eine Verschleppungstaktik vor. Ähnliche Vorwürfe erhoben auch Angehörige von missbrauchten Kindern aus Riekhofen, die in die Fänge des Ortspfarrers geraten waren. Auch er war bereits zuvor in einer anderen Gemeinde einschlägig in Erscheinung getreten, ohne dass die Kirchenleitung in Regensburg die Notbremse zog.
Mit dem Argument, dass es sich lediglich um einige wenige bedauerliche Einzelfälle handle, versuchen die katholischen Kirchenfürsten ihre Schäfchen zu beruhigen. Die Fülle der bekannt gewordenen „Ausrutscher“ pädophil veranlagter Geistlicher und Mitarbeiter im Kirchendienst weist jedoch in die Richtung, dass sich der menschliche Trieb nur schwer einer päpstlichen Enzyklika unterordnen lässt.
Gefeit davon sind nicht nur die zur Enthaltsamkeit verpflichteten katholischen Gottesmänner. Im oberfränkischen Lichtenberg, das durch das spurlose Verschwinden der kleinen Peggy ins Blickfeld der Öffentlichkeit geriet, fielen gleich zwei evangelische Pfarrer durch ihr ungezügeltes Sexualleben auf. Das Problem wurde auch diesmal kirchenintern mit einer Versetzung und ohne Anzeige gelöst.
Helmut Reister