Kerosinregen über Bayern - Politik will nicht eingreifen

München - Wenn das Auto ein Leck hat und Benzin verliert, kann es teuer werden. Bis zu 25.000 Euro Bußgeld werden in Bayern fällig, wenn nicht sofort die Feuerwehr gerufen wird. Bei Flugzeugen ist das seltsamerweise anders. Sie lassen regelmäßig Kerosin über deutschem Boden ab – im Schnitt 516 Tonnen pro Jahr. Konsequenzen: keine.
Im Freistaat gab es laut bayerischem Verkehrsministerium 2018 vier Fälle von "Fuel Dumping" – am 1. Juli zum Beispiel waren es über 50 Tonnen. Insgesamt wurden laut Luftfahrtbundesamt vergangenes Jahr 107 Tonnen Kerosin über dem Freistaat abgelassen.
Warum wird Kerosin in der Luft abgelassen?
Als Grund für die Treibstoffschnellablässe nennt das Ministerium medizinische oder technische Notfälle. Wenn das Flugzeug mit vollem Tank außerplanmäßig landen muss, sei dies für Passagiere und Besatzung riskant. Fahrwerk, Struktur und Bremsen seien nicht dafür ausgelegt. Flugzeughersteller widersprechen dieser Ansicht.
In der Zeitschrift "AERO Quarterly" schreibt die Firma Boeing, Landungen mit Übergewicht seien sicher. Das bestätigte vergangenes Jahr auch ein Sprecher des Herstellers Airbus. "Fuel Dumping ist eher eine Frage der Wirtschaftlichkeit als der Sicherheit", sagte er. Landet ein Flieger mit relativ vollem Tank, sind in der Regel Untersuchungen nötig, ob bei der Landung Schäden entstanden sind. Die Folge: Das Flugzeug fällt länger aus.
Auswirkungen von Kerosinablass unklar
Darf man aus Renditegründen die Umwelt schädigen? Nein, meint die Grünen-Bundestagsfraktion. Sie konfrontierte die Bundesregierung mit der Aussage des Airbus-Sprechers. Doch die meint, es besser zu wissen als die Hersteller. Dass Flugzeuge auch mit vollem Tank landen können, sei eine "irreführende" Aussage, erklärt das Ministerium. Treibstoffablässe werden daher auch weiterhin nicht eingeschränkt.
Dabei weiß keiner genau, welche Auswirkungen Kerosin auf Boden, Grundwasser, Luft und die Gesundheit hat. Die letzte wissenschaftliche Einschätzung ist ein Vierteljahrhundert alt. Das Umweltbundesamt (UBA) kommt zwar in einer neuen Untersuchung zu dem Ergebnis, dass "nach derzeitigem Wissensstand" keine negativen Konsequenzen zu erwarten seien. Das meiste Kerosin verdampfe in der Luft. Dennoch rät das UBA vorsichtshalber, Treibstoff nicht immer über denselben Gebieten abzulassen.
Luftmessstationen in Bayern noch nicht nachgerüstet
Rheinland-Pfalz hat das UBA bereits 2017 gebeten, ein Gutachten zu den Folgen von Kerosinablässen vorzulegen – bisher ohne Ergebnis. "Sehr bedauerlich" nennt die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken (Grüne) die lange Wartezeit. Sie ist daher selbst aktiv geworden: Um die Kerosinbelastungen messen zu können, hat das Bundesland seine Luftmessstationen nachgerüstet.
Diesem Beispiel sollte Bayern folgen. Der Freistaat hat zwar Messstellen für Benzol, Toluol und Xylole. Diese Verkehrsabgase verströmen aber auch Benzin- und Dieselautos. "Rückschlüsse auf Kerosinablassungen oder gar eine eindeutige Zuordnung sind hier nicht möglich", räumt das Verkehrsministerium ein. Weitere Messungen seien dennoch nicht vorgesehen.
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