Kernschmelze-Gefahr im Atomkraftwerk Gundremmingen - Abschaltung gefordert

Nach zwei bislang nicht bekannten Vorfällen im Jahr 2012 fordert eine Grünen-Politikerin, das Atomkraftwerk in Gundremmingen abzuschalten – und zwar sofort.
von  Martin Ferber
Das Atomkraftwerk in Gundremmingen.
Das Atomkraftwerk in Gundremmingen. © dpa

Gundremmingen – Den Block C des Kernkraftwerks Gundremmingen (Landkreis Günzburg), der spätestens Ende 2021 vom Netz gehen soll, sofort abschalten: Das fordert die Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestags, Sylvia Kotting-Uhl, von den Grünen.

"Gundremmingen ist Deutschlands gefährlichstes Atomkraftwerk", sagte die Atom-Expertin der Grünen der AZ. "Laut Statistik hat es die höchste Kernschmelze-Gefahr", zudem sei es nicht sicher vor Erdbeben. "Schluss mit dem Schlendrian der bayerischen Atomaufsicht! Gundremmingen muss stillgelegt werden", meint Kotting-Uhl.

Zwischenfälle im AKW waren Vorläufer schwerer Unfälle

Hintergrund ist eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Abgeordneten nach "Precursor-Vorfällen" 2012 in deutschen Kernkraftwerken, die der AZ vorliegt. Dabei handelt es sich, vereinfacht gesagt, um Vorläufer von schwereren Unfällen. Dabei wird von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit ermittelt, mit welcher Wahrscheinlichkeit Zwischenfälle in Atomkraftwerken, bei denen es noch nicht zu einem Kernschaden kam, zu einem Kernschaden hätten führen können.

Wie die Regierung mitteilte, ereigneten sich 2012 in allen deutschen Atomkraftwerken drei Precursor-Vorfälle, davon zwei in Gundremmingen, die bislang noch nicht bekannt waren.

So gab es am 15. März 2012 im Block C eine "erhöhte Lagertemperatur an einem Hochdruckpumpenmotor des nuklearen Nachkühlsystems", hervorgerufen durch einen "Kühlmittelverluststörfall", und am 8. November 2012 im Block B eine "Funktionsstörung des 380-V-Einspeiseschalters einer Notstromschiene bei einer wiederkehrenden Prüfung" nach einem Notstromfall.

In Gundremmingen gab es seit 1993 die meisten Zwischenfälle

Das dritte Ereignis waren der Antwort der Regierung zufolge "Befunde an Brandschottungen" nach einem Brand im Kernkraftwerk Philippsburg 2 (Landkreis Karlsruhe) am 10. April 2012. Allerdings wurde die Gefahr einer Kernschmelze in allen drei Fällen von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit als unwahrscheinlich eingestuft.

Laut Kotting-Uhl liegen die beiden Siedewasserreaktoren von Gundremmingen, die den Reaktoren von Fukushima ähneln, bei allen Precursor-Ereignissen seit 1993 weit vor den anderen Kernkraftwerken in Deutschland. Mit den beiden nun bekannt gewordenen Vorfällen "sticht Gundremmingen noch stärker heraus als zuvor schon", sagt die Politikerin.

Block B des AKW Gundremmingen wurde 2017 abgeschaltet. Ein von den Grünen in Auftrag gegebenes Gutachten kam zudem zu dem Ergebnis, dass das Kraftwerk nicht sicher vor Erdbeben ist. Mit einer Leistung von je 1.344 Megawatt der Blöcke B und C galt das Kernkraftwerk Gundremmingen als das leistungsstärkste der Bundesrepublik, das ein Viertel des bayerischen Strombedarfs produzierte.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.