Keller-Songs für die Demokratie

Wie bringt man junge Wähler zur Wahl? Ein bayerischer Hobby-Komponist versucht es mit selbst geschriebenen Wahlliedern.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Seit 20 Jahren produziert Winfried Huyer-May Wahllieder.
dpa Seit 20 Jahren produziert Winfried Huyer-May Wahllieder.

Burglauer/München – Was Winfried Huyer-Mays bewegt, wird ein Song. Früher schrieb er Tierlieder für seine Kinder, wenn sie Unfug gemacht hatten, gab es Gespensterlieder – und zum Pauken Lateinlieder. Da war es für den Juristen nur logisch, wieder zum Notenblatt zu greifen, als seine älteste Tochter zum ersten Mal wählen durfte. „Ich habe gemerkt, in der Schule gehen die darauf gar nicht ein“, sagt der 72-Jährige.

Seit mehreren Jahrzehnten schreibt er nun „Wahllieder“, mit denen er junge Leute dazu bewegen möchte, am Wahltag ihr Kreuz zu machen. Es ist sein persönlicher Beitrag im Kampf für die Demokratie. Die Webseite, auf der er die Songs vorstellt, erinnert an das Internet der 90er Jahre, doch die Qualität der Aufnahmen ist gut. „Demokratie ohne Wähler ist wie ein Buch ohne Schrift“, heißt es darin, oder auch: „Remember, remember, 22. September“.

Viele Songs entstanden im unterfränkischen Burglauer (Landkreis Rhön-Grabfeld), wo die Familie ein altes Bauernhaus besitzt. In München hat er ebenfalls ein Tonstudio im Keller. „Das kocht alles auf kleiner Flamme“, erzählt er. Viel Werbung für seine Wahllieder macht er nicht, trotzdem wurden Politiker wie Helmut Kohl und Johannes Rau auf das Projekt aufmerksam und schickten Lobesbriefe. Auch das Jugendportal des Bundestags berichtete. „So was motiviert“, sagt der Hobby-Komponist.

Dass die Politiker sich über die private Unterstützung freuen, ist wenig erstaunlich. Die Wahlbeteiligung bei jungen Leuten ist noch niedriger als im Schnitt der gesamten Bevölkerung. Nur 63 Prozent aller Erstwähler machten bei der letzten Bundestagswahl ihr Kreuz. „Es ist eine hart zu knackende Gruppe“, sagt die Kommunikations- und Politikwissenschaftlerin Andrea Römmele, Professorin an der Berliner Hertie School of Government.

Auch in Bayern bemühen sich die Parteien zurzeit wieder um die jungen Wähler. Das Aktionshandbuch der Jungen Union schlägt dazu unter anderem eine Badeseentour, eine Kinovorführung oder einen Band-Contest vor. „Wahlkampf ist nicht bloß Inhaltsarbeit, sondern in erster Linie Sichtbarkeit“, sagt der JU-Landesgeschäftsführer Bernhard Kuttenhofer. Die Wahlkämpfer versuchten auch, Jungwähler mit passenden Themen anzusprechen, zum Beispiel der Ausbildung.

Die Würzburger Grünen luden kürzlich zur Wahlkampf-Party in einen Club. „An so einem Abend ist die Hemmschwelle ganz niedrig, es geht darum, sympathisch rüberzukommen“, sagt Bundestagskandidat Martin Heilig. Klar werde auch über Politik gesprochen – aber nicht zwanghaft. Wahlkampf mit Partei-Partys, wirkt das nicht anbiedernd? „Das kann schon funktionieren. In der direkten Face-to-face-Kommunikation kommt man am ehesten ans Ziel“, sagt Andrea Römmele. Das Problem der Parteien sei, dass junge Leute sich zwar für Politik interessierten, aber: „Partei ist abschreckend. Das klingt nach alt, Filz, Vorgestern, Kungeleien, Hinterzimmer mit Zigaretten.“ Ihr Tipp: „Man muss die politische Kommunikation in die Alltagskommunikation junger Leute einbinden. Das kann über soziale Netzwerke funktionieren.“

Es gebe viele Beispiele für gute Versuche: „Bei der Europawahl 2009 sind zwei Kandidaten durch die Mensa gegangen und haben sich einfach dazugesetzt – spätestens nach zwei Tagen war das der Schnack. So etwas sind gute Versuche.“ Auch die Privat-Initiative von Winfried Huyer-May findet sie gut. Warum er ausgerechnet mit Musik um Wähler wirbt? Der 72-Jährige stockt kurz, dann fragt er zurück: „Warum springt ein Hochspringer hoch?“

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.