„Keinen Applaus, bitte!“

NÜRNBERG - Vor dem Gastspiel mit „Atomic Wedgie“ im Gostner: Kabarettist Martin Puntigam spricht über widerliche Lehrer, Liebes-Sehnsucht und die Brutalität von Bauchfett
Reicht der Begriff „Reizfigur“ noch für das, was Martin Puntigam da auf die Bühne stellt? Oder ist das schon mehr das Abstoßende in Menschengestalt? Einen ehemaligen Lehrer spielt er ab 12. Mai in seinem aktuellen Programm „Atomic Wedgie“ im Gostner Hoftheater. Einen, der das Rechthaben so wenig verlernt hat wie das Reden vor der Gruppe, und der jetzt als Verkäufer für Security-Seminare perfide Panik schürt um dann abgebrüht abzusahnen. Die AZ sprach mit dem Grazer Kabarettisten.
AZ: Herr Puntigam, was wiegen Sie?
MARTIN PUNTIGAM: Ist das wichtig?
Kommt drauf an – ist Ihr Bühnenbauch echt?
Ach der, ja, der ist echt.
Und...?
110 Kilo, aber das waren vor sieben Jahren auch schon 120.
In Ihrem Programm „Atomic Wedgie“ sind Sie ein Ex-Lehrer, der in Survival-Seminaren Sicherheit verkauft. So ein Bauch ist gesundheitlich allerdings extrem unsicher.
Na, das sagen die Ernährungswissenschaftler jetzt, aber wer weiß, was die in zehn Jahren sagen. Und ich nehme halt phasenweise immer mal zu.
Sieht man.
Weil ich auch damit arbeite.
Indem Sie ein enges Polo-Shirt über die Wampe zerren.
Ja. Ich kann mit dem Bauch Sachen sagen, die ich durchtrainiert nie sagen könnte. Das gibt ja der ganzen Gestalt sofort eine osteuropäische Brutalität. Da sind die Zocker, Diktatoren, Mafiosi auch gerne mal moppelig, aber gemütlich wirken die trotzdem nicht.
Sie futtern sich sozusagen Brutalität an?
Nein, so weit treibe ich das Method Acting auch nicht. Aber verschwinden lassen kann ich den Bauch eh’ nicht und zur Bühnenfigur passt er.
Die ist traditionsgemäß ein ziemlicher Widerling.
Ja, aber jedes Mal mit einem anderen Ansatz. Im letzten Programm hab ich noch geguckt: Wie wirkt sich der Neoliberalismus auf einen Familienvater aus? Und diesmal wollte ich wissen: Wie ist das, wenn man das Banken-Motto „too big to fail“ (dt.: „zu groß um zu Scheitern“) im Privatbereich umsetzt?
Beruhigend, oder? Ein Gefühl absoluter Selbst-Sicherheit, weil die anderen drauf achten, dass einem nichts passieren kann.
In jedem Fall braucht man sich nicht mehr aus Höflichkeit oder Freundlichkeit zu verstellen. Man kann sagen: Camouflage wird unnötig.
Den Bauch einzuziehen auch.
Natürlich. Aber im zwischenmenschlichen Bereich will man erstaunlicher Weise dann aber doch immer noch geliebt werden.
Es gibt in „Atomic Wedgie“ mehr Lacher als im letzten Programm. Ist das Absicht?
Es bot sich an. Diese Figur des Seitenfach-Lehrers, die ja von der Klasse her die Bühne gewohnt ist, die macht schon mal einen gezielten Witz. Natürlich nicht zum ersten Mal, das merkt man schon, dass der halt ein Repertoire von 20 Sprüchen hat, und die kommen halt immer wieder.
Die Superbrüller hat auch er nicht, die vermeiden Sie offenbar gezielt.
Ich mag eben keinen Zwischenapplaus, der haut mir dann jedesmal die Dramaturgie zusammen. Dabei sitzt die jetzt grad so gut...
Bessern Sie an Ihren Stücken noch nach, während Sie sie bereits spielen?
In dem Fall ja, weil’s ganz knapp fertig geworden ist. Ich hatte parallel dazu die Möglichkeit bekommen, mit Kollegen auf Ö1 die Sendung „Welt ahoi“ zu machen, das war zeitlich eng. Es war zwar fertig inszeniert und alles, aber zwei Proben mehr wären besser gewesen. Timur Vermes