Keine Strafe für die Todes-Dealer?

Das Brüderpaar verkaufte Lösungsmittel mit gefährlichem Wirkstoff. Drogenkonsumenten tranken es – und gerieten in Lebensgefahr.
NÜRNBERG Unerlaubter Handel mit Arzneimitteln? Körperverletzung? Gar fahrlässige Tötung? Was am Ende des Prozesses gegen zwei Brüder (33 und 34 Jahre alt) aus Hersbruck herauskommen wird, ist völlig offen. Am Ende könnten die beiden Geschäftsleute, die den berauschenden Synthetikstoff GBL (Gammabutyrolacton) großflächig unters danach lechzende Party-Volk gebracht haben, sogar die lachenden Sieger sein.
Über 4000 Kunden wurden beliefert
Beim Auftakt der Verhandlung vor dem Landgericht schoss Staatsanwältin Gisela Rosinski gestern noch aus allen Rohren. Viel Zeit für ihr juristisches Bombardement blieb ihr jedoch nicht. Nach einer halben Stunde und heftigen Wortgefechten zwischen dem Richter und den Verteidigern war der erste Prozesstag bereits wieder vorbei, weil die Angeklagten schwiegen.
Für die als resolut geltende Staatsanwältin ist der Fall sonnenklar. Brian und Michael L. verscherbelten ein an sich frei verkäufliches Lösungsmittel, das den Wirkstoff GBL enthält. Laut Anklage wurde den Brüdern das Mittel regelrecht aus der Hand gerissen. Mehr als 4000 Kunden aus ganz Deutschland, die nach Überzeugung der Ermittlungsbehörden einzig die berauschende und sexuell stimulierende Nebenwirkung des Lösungsmittels im Sinn hatten, seien von ihnen beliefert worden. Der Konsum des Lösungsmittels führte bei etlichen jungen Leuten aber auch zu massiven gesundheitlichen Problemen – in einem Fall sogar zum Tod.
Rechtsanwalt Jürgen Lubojanski und seine KolleginMadeleine Adler, die das Brüderpaar vertreten, haben erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Anklage wegen illegalen Handels mit Arzneimitteln. Zur AZ sagte Lubojanski: „Das ist ein frei verkäufliches Lösungsmittel, das nicht dadurch zu einem Arzneimittel wird, weil jemand auf die Idee kommt, es zu schlucken. Dafür kann mein Mandant nicht zur Rechenschaft gezogen werden.“
Keine verbotenen Substanzen im Lösungsmittel?
Der renommierte Anwalt argumentiert, dass dann auch die Produzenten und Verkäufer von Sekundenkleber strafrechtlich belangt werden müssten. Sekundenkleber wird von vielen jungen Menschen als „Schnüffelstoff“ verwendet, um Rauschzustände herbeizuführen. Im Übrigen, so Lubojanski, stehe der im Lösungsmittel enthaltene Stoff GBI nicht auf der Liste der verbotenen Rauschmittel.
Staatsanwältin Gisela Rosinski macht nicht den Eindruck, dieser Argumentationslinie folgen zu wollen. Sie glaubt, dass der lukrative Vertrieb des Lösungsmittels mit Drogenhandel gleichzusetzen sei – und dass die Angeklagten sich der Gefährlichkeit der Substanz durchaus bewusst gewesen seien.
Helmut Reister