Keine Pflanzen mehr für Biokraftstoffe? Bayern läuft Sturm

Das Bundesumweltministerium will verhindern, dass Pflanzen künftig für Biokraftstoffe genutzt werden. Dabei sollten die doch die CO2-Bilanz senken. Bayern läuft Sturm.
von  Ralf Müller
Eine Zapfsäule mit Biokraftstoff - er wird etwa aus Raps gewonnen. Doch damit könnte bis 2030 Schluss sein.
Eine Zapfsäule mit Biokraftstoff - er wird etwa aus Raps gewonnen. Doch damit könnte bis 2030 Schluss sein. © picture alliance / dpa

Die Bürger sind wieder einmal verwirrt: Sollte nicht die Beimischung von Biokraftstoffen zum fossilen Sprit die klimaschädlichen Treibhausgase mindern und Rohstoffe schonen?

Beimischung bis 2030 auf null reduzieren

Doch derzeit arbeitet das Bundesumweltministerium unter Ministerin Steffi Lemke (Grüne) daran, die bei acht Prozent liegende Pflicht zur Beimischung dieser Kraftstoffe bis 2030 per Gesetz auf null zu reduzieren. In Bayern, wo man in den synthetischen Kraftstoffen große Chancen sieht, ist man empört.

Fachleute: "Keine Gefahr einer Teller-Tank-Konkurrenz"

Hintergrund des Vorhabens von Lemke ist die "Tank-oder-Teller"-Debatte. Was auf dem Feld wächst, soll komplett zu Nahrung verarbeitet werden und sonst nichts, so ihre Motivation. Doch Fachleute wie der Professor für chemische und thermische Verfahrenstechnik am Straubinger "Green Fuel Center", Jakob Burger, halten das für überholt. "Aufgrund der bestehenden gesetzlichen Obergrenze sehe ich keine Gefahr einer Teller-Tank-Konkurrenz", sagt Burger.

Reduzierung des Kohledioxid-Ausstoßes 2022: elf Milliarden Tonnen

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) spricht von "verkrampfter Ideologie". Das geplante Aus für Biokraftstoffe würde den Klimaschutz im Verkehr "um viele Jahre zurückwerfen". Im vergangenen Jahr habe diese Beimischung den verkehrsbedingten CO2-Ausstoß um elf Milliarden Tonnen vermindert.

Unterstützung kommt vom Ministerium für Landwirtschaft

In der Ampel-Regierung gibt es keine Einigkeit darüber, ob das beabsichtigte Beimischungsverbot von Biokraftstoffen sinnvoll ist oder nicht. Während Lemkes Pläne von den Ministerien für Landwirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit unterstützt wird, sperrt sich das von Bundesminister Volker Wissing (FDP) geführte Verkehrsressort dagegen.

Bundesverkehrsministerium fördert Biokraftstoffe in Bayern

Das Tauziehen in der Ampel hat konkrete Auswirkungen auf die Bemühungen in Bayern, (durch grünen Strom produzierte) E-Fuels und Biokraftstoffe zu einer marktfähigen Alternative zur Elektromobilität zu entwickeln. Das in Straubing angesiedelte Projekt "Synergy Fuels" erhielt unlängst die Zusage des Bundesverkehrsministeriums für eine Förderung in Höhe von 13 Millionen Euro. "Gleichzeitig legt die Bundesumweltministerin Pläne vor, Biokraftstoffe abzuschaffen", so Aiwanger.

Fraunhofer-Institut: Potenzial von mehr als 20 Millionen Tonnen Rest- und Abfallstoffe

Falls Lemkes Absichten umgesetzt werden, würde dies mittelfristig auch ein Aus für die Beimischung von Biokraftstoffen bedeuten, die aus Reststoffen gewonnen werden, die ohnehin anfallen. Diese machen derzeit allerdings nur 29 Prozent der Ausgangsstoffe für Biosprit aus.

Nach einem Bericht des Fraunhofer-Instituts lässt sich dieser Anteil jedoch ausweiten. In Deutschland gebe es ein technisches Potenzial von über 20 Millionen Tonnen ungenutzter biogener Rest- und Abfallstoffe, die sich prinzipiell für die Herstellung nutzen ließen.

Reines HVO100 in Deutschland gesetzlich verboten 

Doch auch hier steht sich das regelwütige Deutschland offenbar selbst im Weg. Dabei geht es um den Kraftstoff mit der Bezeichnung "HVO100", der aus wiederverwerteten Abfallölstoffen wie Speiseöl oder Fettresten gewonnen wird und der - so der bayerische Wirtschafts-Staatssekretär Roland Weigert (Freie Wähler) - "problemlos als klimafreundliche Alternative zu fossilem Diesel in Pkw, Lkw, Bussen, Schiffen, Zügen und Baumaschinen" eingesetzt werden kann.

In anderen Ländern sei reiner HVO100 längst an Zapfsäulen erhältlich, in Deutschland sei das gesetzlich verboten.

"Man muss alles tun was man kann, um fossile Energien zu ersetzen"

An einen langfristigen Erfolg von mit E-Fuels oder Biokraftstoffen betriebenen Fahrzeugen glaubt der Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer nicht. Mit synthetischen Kraftstoffen betriebene Autos seien nicht sauber, sondern hätten nur beim CO2-Ausstoß Vorteile gegenüber fossilen, so Dudenhöffer. Die Mineralölindustrie dürfte die Finger vom Aufbau eines flächendeckenden Netzes für synthetische Pkw-Kraftstoffe lassen.

Anders argumentiert der Straubinger Wissenschaftler Burger. "Man muss alles machen, was man kann, um fossile Energieträger zu ersetzen", begründet er die Weiterentwicklung der synthetischen Kraftstoffe auch für Pkw.

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