Keine Nächstenliebe für Behinderte

Bei der Evangelischen Kirche in Bayern liegen die Nerven offenbar blank. Weder die Landeskirche, noch der Pfarrer der mittelfränkischen Kirchengemeinde Bruckberg will sich aktuell zu einem Fall äußern, der in der Region seit Tagen für einen Riesenwirbel sorgt: Fünf Elternpaare der Gemeinde weigern sich, ihre Kinder gemeinsam mit behinderten Kindern konfirmieren zu lassen und weichen auf die Nachbargemeinde aus.
Bruckberg - Eine Mediation am Freitag sollte die Wogen glätten. Mediator Frank Schmidt verweist vor Beginn des Treffens auf eine Erfolgsquote von über 90 Prozent. Er befördert eine „respektvolle“ Klärung der Problemlage, bei der „alle Beteiligten zu Wort kommen“ und sich auf ihre Gemeinsamkeiten konzentrieren statt auf die Gegensätze.
Dabei müssen die Parteien „selbst einen Weg finden“, Schmidt gibt keine Lösung vor. Das Ausräumen der Unstimmigkeiten wäre auch im Interesse der Kirche. Der Sprecher der Evangelischen Landeskirche, Johannes Minkus findet die Mediation eine „gute Sache“. Ansonsten will er keinerlei Kommentar zu dem Fall abgeben. Auch Pfarrer Thomas Meister ist „nicht scharf“ auf Medienberichte und hüllt sich inzwischen in Schweigen.
Bedenken um „Niveau“ des Gottesdienstes
In bisherigen Interviews führte er den Streit auf ein „Kommunikationsproblem“ zurück. Laut Meister fühlten sich einige Eltern der nichtbehinderten Konfirmanden „nicht richtig informiert“ über die Anzahl der behinderten Kinder.
Er hatte die Konfirmation mit sieben Nichtbehinderten und acht Behinderten geplant. Fünf Elternpaare hatten dem Pfarrer zufolge daraufhin Bedenken, dass der Gottesdienst „zu unruhig werden könne“, vielleicht Kinder aufstehen oder „sich lautstark bemerkbar machen“.
Die Eltern hätten sich gefragt, ob „das Niveau passt“, sagte Meister dem Bayerischen Rundfunk. Dabei ist eine gemeinsame Konfirmation in Bruckberg gang und gäbe, wie Thomas Schaller von der Diakonie Neuendettelsau schildert.
Die Diakonie betreibt in Bruckberg unter anderem eine Wohneinrichtung für rund 500 behinderte Menschen sowie ein Schulzentrum und eine Werkstätte für Behinderte. Die Betroffenen sind im Ort integriert. „Das Zusammenleben funktioniert seit vielen Jahren sehr gut“, betont Schaller.
Große Empörung im Ort
Genau deswegen ist der Fall für die Behindertenbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, Irmgard Badura, besonders „traurig“. Sie ist „erschüttert, dass gerade im Vorfeld eines kirchlichen Festes so etwas eskaliert“.
Groß ist die Empörung auch in Bruckberg. Eine Bürgerin versichert, die behinderten Kinder „gehören einfach zu uns“. Der seit 30 Jahren in der Gemeinde lebende Reiner Eißfeld schimpft im Internet, für den Streit „kann man sich nur noch schämen“.
Nicht die Konfirmanden bräuchten Unterricht, sondern „diese Eltern bedürfen einer christlichen Nachschulung im Umgang und dem Miteinander von behinderten Menschen“. Auch bei Facebook wird der Fall heiß diskutiert. Ein Jugendlicher, der selbst im April 2012 Konfirmation feiert, schreibt von einem „Skandal“ und fragt: „Wo bleibt die Nächstenliebe? Vor Gott sind wir gleich!“