Kein Bildungsurlaub für bayerische Arbeitnehmer ‒ warum?

München - Surfen zur Stressbewältigung auf Teneriffa, Kommunikationstraining mit Pferden auf einem Reiterhof oder Spanisch lernen in der Karibik ‒ das alles wäre möglich im Rahmen eines Bildungsurlaubes.
Die Betonung liegt auf wäre, denn im Freistaat sind die zusätzlichen freien Tage, die der beruflichen Weiterbildung dienen sollen, gesetzlich nicht vorgesehen. Bayern geht hier einen Sonderweg. Abgesehen von Sachsen ist die Bildungszeit in allen anderen Bundesländern gesetzlich verankert.
Bildungsurlaub in allen Bundesländern außer Bayern und Sachsen
In 14 von 16 Bundesländern gibt es Bildungsurlaub mittlerweile ‒ in unterschiedlichster Form. 1976 setzte die Bundesregierung ein Übereinkommen der Internationalen Arbeiterorganisation zum bezahlten Bildungsurlaub in Kraft. Der Bund hat es daraufhin den Ländern überlassen, gesetzliche Rahmenbedingungen zu schaffen.
In den meisten Ländern können fünf zusätzliche Urlaubstage zur Weiterbildung genommen werden. In manchen sogar bis zu zehn Tagen am Stück. "Das ist ein ganz schön administrativer Dschungel", sagt Lara Körber der AZ. Sie ist Mitgründerin von bildungsurlauber.de mit 1,2 Millionen Nutzern im Jahr.
Ziel der Plattform sei es, die Hürden auf dem Weg in den Bildungsurlaub für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abzubauen. Auf der Seite können offiziell anerkannte Bildungsurlaubsseminare gebucht werden.
Von Clownstrainig bis Sprachkurs: Weiterbildungen können frei gewählt werden
Die Kurse würden von den jeweiligen Bundesländern offiziell zertifiziert, erklärt Körber. Überprüft werde dabei unter anderem der berufliche Mehrwert, der sich aus einem Seminar ergibt. Das kann schon auch weitgefasst sein, so gibt es auf der Seite etwa ein Clownstraining, das das Selbstbewusstsein stärken soll.
Liegt die Zertifizierung vor, können die Seminare von den Beschäftigten frei gewählt werden. Der Mehrwert sei durch die Zertifizierung der Seminare dabei immer gegeben, sagt Körber. "Weiterbildung darf Spaß machen und Lernen kann Spaß machen", sagt sie.
Staatsministerium sieht keine Notwenigkeit für entsprechendes Gesetz
Allerdings nutzen nach Schätzungen des ifo-Instituts nur 3,5 Prozent der Beschäftigten in Deutschland die Bildungszeit. Ein Kritikpunkt, den auch das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales (StMAS) auf Anfrage der AZ vorbringt: "Ein Gesetz ist nicht der Schlüssel zu einer höheren Weiterbildungsbeteiligung", heißt es.
Der Freistaat sehe daher bislang und auch künftig keine Notwendigkeit einer landesgesetzlichen Regelung zur Bildungsfreistellung. Zudem würde ein Bildungsurlaubsgesetz eine organisatorische und finanzielle Belastung für Unternehmen bedeuten, argumentiert das StMAS.
Das Ministerium wolle nach dem Motto: "Machen statt Regulieren" freiwillige Weiterbildungsangebote in den Unternehmen fördern.
Arbeitgeberverband befürchtet Bürokratisierung
Auch Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hält auf AZ-Anfrage nicht viel von einem Bildungsurlaubsgesetz in Bayern.

Der Arbeitgebervertreter befürchtet weitere Bürokratisierung für die Unternehmen. "Bayern nimmt bei den Weiterbildungsaktivitäten im Ländervergleich schon heute einen Spitzenplatz ein", sagt Brossardt. "Damit wäre das Gesetz eine Maßnahme ausschließlich für das Schaufenster."
Körber findet dennoch, dass Bildungsurlaub notwendig ist. "Das eine schließt das andere nicht aus", sagt sie. Bildungsurlaub sei thematisch so vielfältig wie die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeitenden.
Unternehmen sollten anfangen, Weiterbildung ganzheitlicher zu denken. Gerade in Zeiten von Fachkräftemangel und steigenden Krankheitstagen durch mentale Probleme sei Bildungsurlaub eine tolle Ergänzung für das Employer Branding oder das firmeninterne Gesundheitsmanagement.
Kritik von Expertin an Bayerischer Gesetzgebung: "Dann hat man nun mal keine selbstbestimmten Mitarbeiter"
"Die Unternehmen im Freistaat sorgen sich ohnehin um die Gesundheit ihrer Beschäftigten im laufenden Betrieb", entgegnet der vbw-Geschäftsführer. Zudem seien in den anderen Bundesländern keine erkennbaren Zusammenhänge zwischen Bildungsurlaub und der Gesundheit von Beschäftigten erkennbar.
"Wenn die Unternehmen die Weiterbildungen nur vorgeben, hat man nun mal keine selbstbestimmten Mitarbeiter", findet Lara Körber. Auch für das Ehrenamt sei Bildungsurlaub gut. Die entsprechenden Schulungen für ehrenamtliche Arbeit seien teilweise sehr zeitintensiv und würden oft in der Freizeit gemacht. Diese könnten auch als Bildungsurlaub anerkannt werden.
Sie selbst habe in verschiedenen Festanstellungen gearbeitet und nichts über Bildungsurlaub gewusst. "Ich war sehr enttäuscht, dass meine Arbeitgeber mich nicht darauf hingewiesen haben", sagt sie.
In den restlichen Bundesländern fordert sie daher auch eine Kommunikationspflicht für Unternehmen. "Für uns gehört das in jedes Intranet, in die Stellenanzeigen und in jedes Mitarbeitergespräch."
Für Bayerns Arbeitnehmer ‒ ohne großzügigen Chef ‒ heißt es vorerst: Yoga am Strand oder Burnout-Vorsorge nur mit den eigenen Urlaubstagen.