Kauft Wöhrl bei Karstadt ein?

Marcus Kossendey, neuer Vorstands-Chef, kann sich vorstellen, einzelne Häuser des insolventen Konkurrenten zu übernehmen, und will knallhart sparen
NÜRNBERG Erstmals in der 77-jährigen Firmen-Geschichte übernimmt mit Marcus Kossendey (43) ein Manager den Chef-Sessel beim Nürnberger Modehaus Wöhrl, der nicht zur Familie gehört.
Der neue Vorstands-Chef kommt vom Düsseldorfer Konkurrenten Peek & Cloppenburg. Mehrheits-Eigner Gerhard Wöhrl (65), der die Firma in den letzten Jahren geführt hatte, zieht sich aus dem operativen Geschäft zurück.
Der neue starke Mann kündigte nicht nur einen strikten Sparkurs an – er kann sich auch vorstellen, Filialen der insolventen Kaufhauskette Karstadt zu übernehmen!
Zunächst will Kossendey aber alle 41 Wöhrl-Häuser auf ihre Wirtschaftlichkeit hin überprüfen. „Da darf es keine Tabus geben“, sagte der Textil-Profi, der die Modehaus-Kette wieder auf Wachstumskurs bringen soll. Der Wöhrl-Umsatz ist im Geschäftsjahr 2009/2010 um 3,9 Prozent auf 362 Millionen Euro gesunken.
Immerhin sprang dabei ein Gewinn vor Steuern von 7 Millionen Euro heraus, das ist fast sieben Mal soviel wie im Vorjahr. Die Zahl der Mitarbeiter sank von 2700 auf 2625. „Mehrere Millionen Euro“ so Finanzvorstand Alfred Gutekunst, habe das Unternehmen durch gute Vorschläge der Mitarbeiter einsparen können. Zusätzlich drückte das Modehaus die Werbe-Ausgaben.
Er habe das selbstgesteckte Ziel, beim Umsatz die 400 Millionen Euro-Grenze zu knacken, nicht erreicht, räumte Gerhard Wöhrl selbstkritisch ein. Jetzt will er einen anderen ranlassen. Selbst auf den Posten des Aufsichtsrats-Chefs, der die Interessen der Wöhrl-Familie vertreten soll, hat Wöhrl zugunsten seines Sohnes Olivier (29) verzichtet. „Ich werde nicht aus der zweiten Reihe ins Steuer greifen“, sagte Gerhard Wöhrl, dessen Familie 69,75 Prozent der Anteile der Familien-AG hält.
Die Familie seines Bruders Hans Rudolf besitzt 29,75 Prozent der Anteile, 0,5 Prozent gehörten dem kürzlich verstorbenen Firmen-Gründer Rudolf Wöhrl (96†), dessen Testament noch nicht eröffnet wurde. Winfried Vennemann