Katastrophisch gefärbte Intensität

Bravourös: Alexander Shelleys Einstand als Chefdirigent der Nürnberger Symphoniker.
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Fulminanter Start: Symphoniker-Chef Alexander Shelley.
bayernpress Fulminanter Start: Symphoniker-Chef Alexander Shelley.

NÜRNBERG - Bravourös: Alexander Shelleys Einstand als Chefdirigent der Nürnberger Symphoniker.

Als er in der Meistersingerhalle vor eineinhalb Jahren zuletzt dirigierte, war er in Nürnberg ein Unbekannter. Etliche Pressekonferenzen, Interviews und ein Klassik Open Air später steht der 30-jährige Alexander Shelley als Chefdirigent vor den Nürnberger Symphonikern. Und muss die Frage beantworten, ob er neben einem faszinierenden Gesprächspartner und charmanten Entertainer auch ein exzellenter Orchesterleiter ist.

Nichts sieht man ihm an von diesem Beweisdruck beim doppelten Neujahrskonzert der Symphoniker: Lässig schreitet er an sein Pult, lächelt. Dafür hört man. Und ist sofort eingenommen vom warmen, frischen, konzentrierten Klang, wie man ihn nicht oft erlebt bei diesem Orchester, das bislang immer für Überraschungen gut war — auch für weniger erfreuliche.

Unter Shelleys klar gezirkelten Gesten schäumt Johann Strauss’ „Fledermaus“-Ouvertüre, dass man mittanzen möchte, drehen die Symphoniker musikalisch grazile Pirouetten, tupfen weich den Cancan hin und münden souverän ins mitreißend sich überschlagende Finale.

Mit dem Pianisten Lars Vogt gelang den Symphonikern zu Shelleys Einstand ein weiterer Coup. In Schumanns Klavierkonzert ist der Tastenphilosoph ein sensibler Partner für den energiegeladenen, klaren Orchester-Sound. Kraftvoll prescht er aus dem feinen, symbiotischen Klanggewebe hervor, wechselt fliegend zwischen gründelnder Romantik und virtuosen Teufelssprüngen. Auch in der Zugabe, Chopins Nocturne Nr. 20, überwältigt Vogt mit erzählerischen Bögen und berührt sirupfrei.

Nach der Pause holt Shelley zum Fortissimo-Angriff aus: Gustav Holsts „Planten“ widmen jedem der sieben Himmelkörper eine hollywoodtaugliche sinfonische Dichtung. Also treibt das Schlagwerk in „Mars“ das hundertköpfige Orchester mit katastrophisch gefärbter „Bolero“-Intensität voran, bei „Venus“ klingeln Celesta und Glockenspiel um die Wette. Feingliedrig flirren und Sirren die Flügel des Götterboten „Merkur“, im berühmten „Jupiter“ kostet Shelley majestätische Gesten wie komischen Details aus. Nur der verwackelte Einsatz der Vokalisen (die Damen des Hans-Sachs- und des EWF-Chors) störten das beeindruckende All-Ausloten. Ein fulminanter Einstieg also, der Lust macht auf die kommenden vier Jahre — und auf’s nächste Shelley-Dirigat am 27. und 28. Februar. Georg Kasch

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