Katastrophenalarm am Königssee: Gemeinde übt für den Blackout

Königssee - Nur 50 Kinder sind heute in den Kindergarten gekommen. An einem normalen Tag wuseln hier 180. Der Blackout in der Gemeinde Schönau am Königssee war angekündigt. Ein Großteil der Eltern entschied, die Kleinen zu Hause zu lassen. Im Kindergarten ist es am frühen Morgen dunkel.
LED-Kerzen sorgen für ein bisschen Licht. Wer auf die Toilette muss, trägt eine Kerze vor sich her. Nur die grün-weißen "Notausgang"-Schilder geben ein wenig Erleuchtung.
Heike Fegg ist die stellvertretende Leiterin. Sie sagt: "Momentan funktioniert es ganz gut." Später müssten die Kinder mit Essen versorgt werden. Dann kommt der große Ofen ins Spiel.
Schönaus Bürgermeister Hannes Rasp treibt das Thema Blackout seit Monaten um. Wenn der Strom ausfällt, ist die Handlungsfähigkeit der Gemeinde in Gefahr. Teile der Wasserversorgung wären eingeschränkt, die Heizungen blieben kalt, das Licht aus. Telefon und Internet funktionierten dann nicht mehr.
Die Gemeinde muss auch im Falle eines Blackouts funktionieren
Das Rathaus wäre dann der Anlaufpunkt für viele. "Wir sind das Herzstück der Gemeinde", sagt der 56-Jährige, der seit Längerem an einem Krisenplan feilt und alle 105 Angestellten der Gemeinde dazu mit ins Boot geholt hat. Die Gemeinde müsse in jedem Fall funktionieren, sagt er.
Während auf Kreisebene Vorbereitungen für den Ernstfall getroffen werden, rüstet sich Schönau am Königssee für jenen Fall, den niemand herbeisehnt. Rasp hat vor Kurzem ein 35-kW-Aggregat über ein Kleinanzeigen-Portal erworben. "Ein Glücksfall", sagt er. Im Herbst kommenden Jahres soll ein weiteres Gerät zur Stromerzeugung die Gemeinde erreichen.
Was braucht eine Gemeinde, um im Falle eines Blackouts weiterarbeiten zu können?
Stromaggregate sind Mangelware, die Nachfrage ist riesig, sagt der Bürgermeister. Noch fehlt auch Erfahrung, was eine Gemeinde braucht, um weiterarbeiten zu können, wenn eigentlich nichts mehr geht.
Mit einem Kaffee in der Hand steht Rasp im Aufenthaltsraum der Gemeinde. Seine Mitarbeiter haben kurz vor dem geplanten Blackout, der das Rathaus, den Kindergarten und den Bauhof vom Strom nimmt, noch eine Kanne aufgesetzt.
Um 7 Uhr war dann der Strom weg. Handys sind am heutigen Tag verboten. Bei einem Blackout würden die Funkmasten ausfallen. Eine Kommunikation über das Mobilfunknetz? Ausgeschlossen. Die Satellitenhandys und die digitalen Funkgeräte, die die Gemeinde bestellt hat, sind noch nicht angekommen, sagt Hans Brüggler, heute im Krisenteam einer der wichtigsten Mitarbeiter der Gemeinde.
Ziel: die Gemeinde ohne Strom mehrere Wochen am Laufen zu halten
In anderer Hinsicht hat Bürgermeister Rasp bereits vorgesorgt. Er hat den wichtigsten Gemeindehäusern Notstromanschlüsse verpassen lassen. Mit einem Aggregat kann etwa dem Rathaus - in der Theorie - Energie zugeführt werden.
Dazu braucht es jetzt einen Unimog, der das auf Diesel verzichtende Aggregat antreibt. Dieser ist aber gerade im Winterdienst unterwegs. In der Verwaltung sitzen die Mitarbeiter vor schwarzen PC-Bildschirmen. Die Server sind heruntergefahren. Rasps Ziel ist es, die Gemeinde ohne Strom über mehrere Wochen am Laufen zu halten. Die Verwaltung hat drei "mobile Tankstellen" gekauft, mit denen bei Bedarf Aggregate und Fahrzeuge getankt werden können. Mehrere Tausend Liter Diesel sind gebunkert.
Wasserversorgung ist sicher
Die Wasserversorgung des Ortes ist bei einem Blackout weitestgehend gesichert. Nur die höher gelegenen Ortsteile sind auf Pumpenleistungen angewiesen. Die Schaltzentrale der Wasserversorgung benötigt in jedem Fall zusätzliche Energie.
Mittlerweile ist der Unimog aus dem Winterdienst eingetroffen. Ein Elektriker schließt das Aggregat an die Notstromeinspeisung. Mit einer Taschenlampe arbeitet der Handwerker im finsteren Keller am Schaltkasten.
Das Notsystem ist anfällig, Licht funktioniert immerhin
Über ein dickes Kabel wird auch der Kindergarten ans Stromnetz angeschlossen. Auf dem Papier sollte das Aggregat nun ausreichen, um genügend Energie zu liefern. "Wir schalten jetzt alles zu." Als der Motor startet, kommt auch das Licht im Rathaus zurück - doch nur kurz. Schnell fliegt die erste Sicherung. Mehrere Versuche sind nötig, bis dem Elektriker gelingt, dass es hell bleibt, auch im Kindergarten.

Den Server hochzufahren, das funktioniert nicht. "Brauchen die Bildschirme zu viel Strom?", fragt einer. Wofür eigentlich die Bildschirme, fragt ein anderer. Denn die Internetverbindung funktioniert sowieso nicht. Ein Staubsauger im Kindergarten bringt das Notsystem zum Absturz.
Der Elektriker sagt: 24 Kilowattstunden sind mit dem Aggregat möglich. Das ist weniger als erwartet. Gut, dass die Gemeinde noch ein stärkeres hat, 55 kW: "Damit müsste alles laufen", so Rasps Einschätzung.
Das Licht funktioniert - immerhin. Alles, was darüber hinaus an Leistung gebraucht wird, stellt eine Schwierigkeit dar. Mittlerweile betreiben mehrere Aggregate, quer im Ort verteilt, die Pumpen für das Abwasser, auch die UV-Filtration hängt am Stromnetz. Würden die Pumpen nicht laufen, käme es zum Rückstau bis in die Haushalte hinein.
Erhebung über Heizsysteme der Gemeine geplant
Eine weitere Erkenntnis: Der Bauhof braucht ein größeres Aggregat, um handlungsfähig zu sein. Die Gemeinde will auch erheben, wie viele Bürger mit Holz heizen, wie viele an das Fernwärmenetz angeschlossen sind, Öl nutzen.
Die Kinder des Kindergartens brauchen gegen Mittag eine warme Mahlzeit. Den Ofen ans Notstromnetz anzuschließen, hat nicht geklappt. Mit dem größeren Stromaggregat könnte es funktionieren. "Heute wird das Mittagessen geliefert", sagt Rasp. In dieser Hinsicht ist also vorgesorgt. Bei einem Blackout wäre das nicht möglich.