Kartoffel-Matsch im Märchenwald

NÜRNBERG - Zum Start zeigte das 6. Nürnberger „panoptikum“-Festival lauter gelungene Anfänge und feiert sich mit einem opulenten Feuerwerk.
So viel Anfang war selten: Als Andrea Maria Erl, künstlerische Leiterin des „panoptikum“-Festivals, zur Begrüßung lauter Start-Parolen ausgab, war noch nicht klar, wie viel davon drinsteckt in diesem 6. Internationalen Kindertheaterfestival. Eigentlich riecht es in Zeiten wie diesen eher nach Ende. Und so ätzte Kulturreferentin Julia Lehner in Richtung Erlangen: „Freuen wir uns, dass es in unserer Region noch möglich ist, Theaterfestivals zu eröffnen“.
„Uns geht es im Vergleich mit anderen Kommunen noch gold“, heißt ihre Durchhalteparole. Aber wie lange noch? Erl jedenfalls zitierte sicherheitshalber noch Lehners Vorvorvorgänger Hermann Glaser: „Kinder haben ein Recht auf Kultur!“ Der Schirmherr und Kunstminister Wolfgang Heubisch vernahm’s nicht — wegen anderer Verpflichtungen. Auch viele internationale Gäste nicht — sie hingen in der Luft, weil am Flughafen gestreikt wurde.
Von Krise und Festival-Aus aber war auf der „panoptikum“-Eröffnung zwischen Reden, Sekt und den fröhlichen Musikgeschichts-Zitaten des Trios Bettina Ostermeier, Peter Pelzner und Robert Stephan nicht viel zu spüren. Sicher: Das Schicksal des Figurentheaterfestivals und Geldmangel bleiben prägende Diskussionsthemen. Aber auch die Vorstellung von „Eine kleine Sonate“ der dänischen Gruppe 38. Die Produktion erzählt das „Rotkäppchen“-Märchen als fulminante Mischung aus Schauspieler- und Objekttheater. Bevor die resolute Bodil Alling auf einer Mini-Bühne mit Ei, Kartoffel und Fliegenklatsche von Rotkäppchens Schicksal erzählt, muss sie ihre stoffeligen Musiker ermahnen und die fehlenden Siebensachen auftreiben. Herrlich, wenn das lebende Huhn ein Mitspielen verweigert und Alling leicht verschnupft auch noch den Mutterpart übernimmt. Oder wenn der Kartoffelpressen-Wolf splatternd die Kartoffel-Großmutter frisst — ein Feuerwerk des anarchischen Witzes, bejubelt von den Erwachsenen wie von der Handvoll Quoten-Kinder.
Ein echtes, theaterspektakelndes Feuerwerk feierte bei Eiseskälte die zehn Jahre, die es „panoptikum“ gibt: Auf der stoppeligen Brache vor dem Kachelbau ließen Die Pyromantiker aus Berlin in wallenden Perücken die Feuertheater von Versailles aufleben. Und entfachten trotz Ton- und Kältepannen opulente Neuanfänge mit sprühenden Leuchtfeuern, Sternenregen und Goldkaskaden.
Spektakulär bleibt es beim „Kleinen russischen Zirkus“ aus St. Petersburg, wo die Marionetten mit den Augen, Bärten und Hüften wackeln und immer tollkühnere Kunststückchen abliefern. Eine akrobatische Leistung von Puppenbauer und -spieler Viktor Antonov, die sich in der Revue etwas erschöpft.
Alles auf Anfang dagegen wieder beim Puppentheater Halle: „Aller Anfang“ heißt die freie Adaption der biblischen Schöpfungsgeschichte, in der sich zwei Spieler über den Stil der Welt-Neuerfindung streiten. Vorgebastelt? Frisch improvisiert? Mit Livemusik, Schattenspiel und Holzspielzeug erschaffen sie ihre Miniatur-Welt in Sechs-Tages-Schritten — auch dank der Moral, dass es zusammen einfach besser geht als gegeneinander.
Ihre Neben-Erkenntnis, dass auch ein Anfang ein Ende hat, setzt das „panoptikum“-Festival am 14. Februar stilecht um und schließt, wie es begann, mit einer „Rotkäppchen“-Adaption. Für die Musiktheater-Produktion aus Mannheim (11 und 14 Uhr im Theater Pfütze) gibt es — oh Wunder — noch Karten (Tel. 0911/ 6000525). Georg Kasch