Kardinal Reinhard Marx fordert: Mehr Macht für Frauen
München - Frauen sollen in der katholischen Kirche mehr zu sagen haben, Missbrauch muss an der Wurzel bekämpft werden: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, war am Donnerstag zum Jahresabschluss-Gespräch im Münchner Presseclub am Marienplatz. Dabei fand er klare Worte zum Missbrauchsskandal, den nötigen Konsequenzen und anstehenden Reformen.
Eine davon: Frauen sollen auch auf der Führungsebene künftig mehr mitwirken. Dies war zwar bereits beim Weltbischofstreffen im Oktober beschlossen worden – dennoch gebe es in der Weltkirche noch etliche Kritiker, sagte Marx, der auch Münchner Erzbischof ist. (Lesen Sie auch: So feiert der Papst Weihnachten)
Marx spricht sich für Teilung von Macht aus
"Ich glaube, hier haben so einige Herren noch Illusionen. Die meinen, es gebe weltweit noch irgendwo einen Kontinent, wo man die alleinige Männerherrschaft durchsetzen könnte", sagte Marx. Zwar werde dies teils noch versucht, "aber die nachwachsende Generation löst sich langsam, Schritt für Schritt von dieser Vorstellung." Das habe insbesondere die Jugendsynode anlässlich des Weltbischofstreffens ganz klar gezeigt, so der 65-Jährige. "Da sind weltweit alle einer Meinung."
Auch mehr Kontrolle sowie die Teilung von Macht seien künftig nötig. "Nur das kann die richtige Antwort auf Machtmissbrauch sein. Das hat uns bereits die Geschichte gelehrt", sagte Marx im Hinblick auf den weltweiten Missbrauchsskandal. Diskutiert werde derzeit auch über die Sexualmoral der Kleriker sowie die Ausbildung und die Lebensform von Priestern. "Das betrifft natürlich auch den Zölibat", so Marx.
Zum Thema Homosexualität sagte Marx, er sehe beunruhigende Kräfte innerhalb der Kirche, die meinten, ohne homosexuelle Priester sei das Missbrauchsproblem gelöst. "Ich bin dagegen, einen Unterschied zwischen Homo- und Heterosexuellen zu machen. Es geht hier um die Frage, ob es möglich ist, enthaltsam zu leben."
Marx: Europa ist "unser gemeinsames Haus"
Zudem äußerte sich Marx zur weltweiten politischen Lage und der Verantwortung der Europäischen Union. So forderte er ein halbes Jahr vor der Europawahl weniger Nationalismus und mehr europäische Begeisterung. Er könne nicht verstehen, wieso Politiker aus Sorge vor Stimmenverlusten schlecht über Europa redeten, so Marx. "Europa ist doch nicht nur die Kommission, sondern unser gemeinsames Haus."
Unter anderem in der Klimapolitik und bei Menschenrechtsfragen vermisse er von den Staaten einen gemeinsamen europäischen Willen über die eigenen Interessen hinaus. "Das ist zurückgegangen. Der Nationalismus beunruhigt mich", so Marx.
Mit Sorge blicke er auch auf die aktuelle politische Lage in Frankreich: Zu den teils gewaltsamen Protesten der "Gelbwesten" wolle er sich nicht äußern – aber sollte sich der Streit in der französischen Innenpolitik weiter verschärfen, sei auch die Europäische Union in Gefahr.