Kampf um „Mein Kampf“
Mit dem überraschenden Stopp einer seit Jahren geplanten offiziellen Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“ hat sich die Staatsregierung im Landtag in die Nesseln gesetzt. Die jüdische Gemeinde dagegen ist erleichtert.
München - Das Veto der Staatsregierung gegen eine seit Jahren geplante kommentierte Neuausgabe von Hitlers Hetzschrift „Mein Kampf“ hat im Landtag parteiübergreifend Kritik ausgelöst – auch bei der CSU. Die Abgeordneten wehrten sich am Mittwoch in München dagegen, dass die Regierung sich über einen einstimmigen Beschluss des Landtags hinwegsetzt. „Das ist kein guter Stil“, sagte der Würzburger Abgeordnete und Vorsitzende des Hochschulausschusses Oliver Jörg (CSU).
„Eigentlich ist entscheidend, was der Landtag sagt.“ Auch die SPD-Hochschulpolitikerin Isabell Zacharias reagierte verärgert: „Das ist ein Rückschritt.“ Der Landtag habe die Staatsregierung aufgefordert, eine Expertenkommission zu den offenen Fragen anzuhören. „Wir haben nie einen Bericht bekommen“, sagte sie.
Der Grünen-Abgeordnete Sepp Dürr hatte das Vorgehen der Regierung von Horst Seehofer (CSU) schon zuvor eine „Unverschämtheit erster Güte“ genannt. Die Staatsregierung hatte am Vortag einen Kurswechsel beschlossen: Eigentlich bereitet das international angesehene Institut für Zeitgeschichte (IfZ) eine kommentierte kritische Ausgabe vor - angeregt unter anderem von Finanzminister Markus Söder (CSU).
Der Landtag hatte bislang diese kritische Hitler-Ausgabe unterstützt. Die Staatsregierung überraschte nun mit ihrer neuen Linie nicht nur den Landtag. Auch das IfZ wurde vorher nicht informiert. Allerdings gab es von Anfang an den Einwand, dass die Verbreitung von Nazipropaganda keine Aufgabe der Staatsregierung sein solle, und sei es in Form einer kritischen Ausgabe.
Eine offizielle Hitler-Ausgabe quasi mit bayerischem Staatswappen könne seltsam wirken, räumten Kabinettsmitglieder am Rande der Landtagssitzung ein.
Die frühere Präsidentin des Zentralrates der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, begrüßte indessen die Entscheidung der Staatsregierung: „Hitlers Machwerk ist von Hass und Menschenverachtung durchdrungen und erfüllt Experten zufolge den Tatbestand der Volksverhetzung.“
Knobloch hatte am Rande von Seehofers Israel-Reise 2012 mit KZ-Überlebenden gesprochen, die den Veröffentlichungsplan scharf kritisierten. In der CSU folgen viele diesem Argument. „Es wäre nicht gut, wenn wir als einzige eine Hitler-Ausgabe verbreiten“, sagte etwa Fraktionschef Thomas Kreuzer. Seehofer sagte, es spreche nichts gegen die wissenschaftliche Auseinandersetzung. Aber unters Volk bringen will Seehofer das Hitler-Buch nicht: „Die Verbreitung ist vom Tisch“.