Kampf um einen Pfarrer

Der Passauer Bischof hat den „Rebellen- Priester“ Andreas Artinger zum Rücktritt gedrängt – doch ein Dorf gibt nicht auf
Passau Mit stehenden Ovationen im Gottesdienst, einer Unterschriftensammlung und Protestplakaten kämpft ein Dorf um seinen Pfarrer. Der Passauer Bischof hat dessen Rücktritt zum 1. September bestimmt. Priester Andreas Artinger (53) ist in Ungnade gefallen, weil er sich einen Strafbefehl wegen Beihilfe zur Untreue eingehandelt hat.
Der Geistliche aus Ruhstorf an der Rott (7000 Einwohner, Kreis Passau) hatte einer leitenden Kirchenangestellten über die Jahre 15 fiktive Mietbelege in Höhe von je 100 bis 2500 Euro fürs Pfarrheim ausgestellt, damit diese großzügige, nicht genehmigte Ausgaben für die Jugendarbeit decken konnte. Die betrügerische Kirchenangestellte, die im Prozess von ihrem einstigen Verhältnis mit dem Pfarrer berichtete, ist zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Der Pfarrer erhielt einen Strafbefehl in Höhe von 10000 Euro. Weil es aber 90 Tagessätze sind, wäre der Pfarrer vorbestraft.
„Ich habe mich selbst nie bereichert“, sagte Artinger in seiner Rede im Sonntagsgottesdienst. Dass sich die Frau bereicherte, habe er nicht gewusst. Er gestehe seinen Fehler ein und werde die Folgen tragen. „Es tut mir leid.“
Die Kirchenbesucher honorierten die Offenheit des Priesters mit einem spontanen Beifall. Es kamen doppelt so viele Menschen wie sonst zum Gottesdienst. Die Kirche mit ihren 800 Plätzen reichte nicht aus, viele standen. „Ihr gebt mir Kraft“, bedankte sich der Pfarrer den Tränen nahe.
Der 53-Jährige leitet seit 19 Jahren die Geschicke seiner Gemeinde. Auch der Pfarrgemeinderat steht geschlossen hinter ihm. Hunderte trugen sich nach dem Gottesdienst in die ausgelegten Unterschriftenlisten ein.
Bischof Wilhelm Schraml hat dem Pfarrer nahe gelegt, „freiwillig“ zum 1. September sein Amt niederzulegen. Inzwischen kam der Pfarrer diesem Gesuch nach: „Der Pfarrer hat ein entsprechendes Gesuch gestellt und der Bischof wird es annehmen“, sagte Bistumssprecher Wolfgang Duschl gestern.
Viele Dorfbewohner halten an ihrem Pfarrer jedoch fest. Manche tragen Sticker: „Unser Pfarrer ist super“. Andere haben ein großes Transparent gemalt: „Wir beten für alle Schramls dieser Welt: Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“
Pfarrer Artinger hatte sich bereits in der Vergangenheit den Unmut des Bischofs zugezogen. Er gehört zu den Anführern der sogenannten „Rebellen-Priester“, eine aus Österreich nach Bayern schwappende Bewegung, die für eine zölibatfreie, moderne Kirche kämpft, in der auch Frauen das Priesteramt bekleiden dürften.
Auf der anderen Seite ist Artinger bei der Rottaler Bevölkerung so beliebt, dass ihn die Marktgemeinde 2011 die Bürgermedaille verlieh – für sein „beispielhaftes kirchliches Engagement.“