Kampf gegen Praxis-Gebühr Dieser Franke gibt nicht auf
Der Rentner Erwin Fink will notfalls bis zum BVG gehen: „Eintritt beim Arzt – das darf nicht sein!“
ERLANGEN/KASSEL Vor Gericht stand Erwin Fink gestern das erste Mal. „Ich habe mich schon immer für Soziales eingesetzt, aber Gericht, nee“, sagt der 64-Jährige aus Bubenreuth bei Erlangen. Und dann gleich das Bundessozialgericht in Kassel. Vor den höchsten deutschen Sozialrichtern hat der Franke zwar verloren, dennoch will Fink, unterstützt vom Deutschen Gewerkschaftsbund, weitermachen: Sein Kampf gegen die Praxisgebühr von 10 Euro pro Quartal soll notfalls bis vor das Karlsruher Bundesverfassungsgericht (BVG) nach Karlsruhe gehen.
„Dass ich im Theater oder im Kino Eintritt bezahle, ist in Ordnung. Aber beim Arzt, das darf nicht sein“, sagt der Rentner. Kämpferisch wirkt der Vater von zwei Kindern und Großvater von zwei Enkelkindern nicht, mit seiner ruhigen Stimme und dem nachdenklichen Gesicht. „Aber als ich das erste Mal von der Praxisgebühr hörte, wusste ich gleich, dass das nicht gerecht ist.“ Als dann noch jemand 25 Euro ins Gespräch gebracht habe, „war klar, dass das nicht so hingenommen werden darf.“ Zwar wurden es dann nur zehn Euro im Quartal und Fink zog wegen ganzer 30 Euro vor das Bundesgericht. „Aber inzwischen habe ich 250 Euro Praxisgebühr bezahlt und es geht ums Prinzip: Diese Abgabe ist einfach ungerecht.“ Auch deshalb, weil privat Versicherte die Gebühr nicht zahlen müssen und auch die Arbeitgeber keinen Beitrag zur Praxisgebühr leisten.
Die Kasseler Richter sahen’s gestern anders, genau wie die Vor-Instanzen. Der Vorsitzende Richter Ulrich Hambüchen erklärte, die Argumente des Klägers seien „sicher nicht von der Hand zu weisen“. Das Gericht konnte aber keine Verletzungen von Grundrechten erkennen.
Die solidarische Finanzierung der Krankenversicherung ist „leicht aus der Angel gehoben“, meint der oberste Richter
Dass privat Versicherte keine Praxisgebühr zahlen müssten, verstoße nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz, da diese einem anderen System angehörten, sagte Hambüchen. Auch dass Arbeitgeber nicht zur Praxisgebühr beitragen müssen, sah der dritte Senat nicht als Verletzung der Verfassung an.
Hambüchen merkte allerdings an, die solidarische Finanzierung der Krankenversicherung sei damit „leicht aus der Angel gehoben“. Der Senat habe sich in der Beratung gewundert, betonte der Vorsitzende Richter, dass die Praxisgebühr „so viel emotionales Blut aufwühlt“. Medikamentenzuzahlungen etwa führten zu größeren Belastungen von Kranken, würden aber eher hingenommen.
Das Gericht bezog sich mit seinem Urteil unter anderem auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2005, in der es allerdings nicht um die Praxisgebühr ging. Demnach dürfe der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von finanziellen Erwägungen mitbestimmt werden. Dem Gesetzgeber sei es außerdem grundsätzlich erlaubt, die Versicherten über den Krankenkassenbeitrag hinaus mit Zuzahlungen an den Kosten bestimmter Kassenleistungen zu beteiligen.
Allerdings sei dabei zu beachten, dass dabei die Grenzen des finanziell Zumutbaren für den Einzelnen nicht überschritten würden.
Nach Angaben des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen haben die gesetzlich Versicherten 2008 rund 1,52 Milliarden Euro für Praxisgebühr bei Ärzten und rund 0,4 Milliarden Euro bei Zahnärzten ausgegeben, insgesamt rund 1,92 Milliarden Euro.