Kampf gegen illegale Einreise in Bayern: Jetzt droht Stau an der Grenze

Die Zahl der illegalen Einreisen steigt wieder – was dagegen hilft, ist umstritten. Während Bund und Bayern auf Grenzkontrollen setzen, halten sie Grüne und AfD im Landtag für "Placebo-Maßnahmen".
von  David Lohmann
Ein Beamter der Bundespolizei stoppt bei der Kontrolle des Einreiseverkehrs am deutsch-tschechischen Grenzübergang Furth im Wald – Ceska Kubice den Fahrer eines Autos bei der Einreise.
Ein Beamter der Bundespolizei stoppt bei der Kontrolle des Einreiseverkehrs am deutsch-tschechischen Grenzübergang Furth im Wald – Ceska Kubice den Fahrer eines Autos bei der Einreise. © Daniel Karmann/dpa

München - Dieses Wochenende enden in Bayern die Herbstferien. Der ADAC warnt vor langen Staus wegen der deutschen Grenzkontrollen. Reisende sollten mindestens eine Stunde Wartezeit an den Grenzübergängen von Österreich nach Deutschland einplanen.

Erstmals droht dieses Jahr auch an der tschechischen, schweizerischen und polnischen Grenze Ungemach. Hintergrund: Nach langem Zögern hatte sich Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) dazu entschieden, bei der EU-Kommission auch für diese Länder stationäre Grenzkontrollen anzumelden. Ziel ist, die Zahl der unerlaubten Einreisen zu reduzieren.

98.000 illegale Grenzübertritte nach Deutschland von Januar bis Oktober

Denn von Januar bis Oktober dieses Jahres wurden laut Bundespolizei etwa 98.000 illegale Grenzübertritte nach Deutschland festgestellt – davon rund ein Viertel in Bayern. Das ist eine Verdoppelung im Vergleich zu den Vor-Corona-Jahren, aber die Hälfte im Vergleich zu 2015.

Wie effektiv die Grenzkontrollen im Kampf gegen illegale Migration sind, darüber gehen die Meinungen auseinander. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht sie als "wichtiges Signal" an die Schleuser. Daher habe die Staatsregierung die Zahl der bayerischen Grenzpolizeikräfte von ursprünglich 480 auf mehr als 800 erhöht, hinzu kommen Drohnensysteme mit Wärmebildkameras.

Für den Bayerischen Flüchtlingsrat (BFR) hingegen steht der Personalaufwand bei rund 2.000 Aufgriffen bis Ende August dieses Jahres in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Zumal sich viele Geflüchtete nach dem Grenzübertritt selbst bei der Polizei gemeldet hätten.

Hinzu kommt: Grundsätzlich darf kein Mensch, der beim Grenzübertritt um Asyl bittet, zurückgewiesen werden. Erst muss festgestellt werden, welches Land nach dem Dublin-Verfahren für den Asylantrag zuständig ist. Das ist an der Grenze nicht möglich und oft ist der entsprechende Dublin-Staat auch gar nicht bereit, die Person aufzunehmen, beispielsweise Ungarn.

80 Prozent der Asylsuchenden können nicht abgeschoben werden

Und Deutschland kann die Personen in 80 Prozent der Fälle nicht abschieben, weil im Heimatland des Asylsuchenden Kriege oder Konflikte herrschen. Das schreibt die Genfer Flüchtlingskonvention vor. Im Ergebnis bleiben die Menschen also trotz Grenzkontrollen dauerhaft in Deutschland.

Um das im Vorhinein zu verhindern, soll die Bundespolizei laut Flüchtlingsrat Menschen trotz Asylgesuchs durch sogenannte Pushbacks rechtswidrig zurückgewiesen haben. Das Bundesinnenministerium weist diese Vorwürfe "entschieden" zurück. Die Anschuldigungen hätten nicht bestätigt werden können.

Dass die Zahlen zu den Asylgesuchen im Nachhinein von der Bundesregierung korrigiert wurden, lag laut einer Ministeriumssprecherin auf Nachfrage an einer "technisch fehlerhaften Zuordnung" von Grenzabschnitten. BFR-Sprecher Stephan Dünnwald hält diese Argumentation für wenig überzeugend.

Kritik an den Grenzkontrollen kommt auch von den Polizeigewerkschaften. Trotz gegenteiliger Ankündigung von Bundesinnenministerin Faeser sei es gleich am ersten Tag zu Staus gekommen, heißt es von der GdP. Statt "flexibler, mobiler und lageangepasster Kontrollen" gebe es wieder "stumpfe stationäre feste Kontrollstellen wie an der österreichischen Grenze". Die DPolG in Bayern befürchtet, dass durch die Grenzkontrollen andere wichtige Aufgaben "auf Sparflamme" gesetzt werden müssen. Die Innenministerien in Bund und Bayern versuchen zu beschwichtigen. Über die Art der Kontrollen werde lageabhängig vor Ort entschieden und das Personal fortlaufend verstärkt.

Landtags-Grünen in Bayern bezeichnen Faesers Vorstoß als reine "Placebo-Maßnahme"

Unzufrieden ist auch die Wirtschaft. Die Auswirkungen der Kontrollen auf Berufs- und Lieferverkehr würden weit über den Grenzraum hinausgehen, warnen die Industrie- und Handelskammern (IHK) in Bayern und Sachsen. "Kontrollen bringen Unwägbarkeiten, bedeuten einen erheblichen Mehraufwand in der Planung und kosten letztlich Zeit und Geld", klagt Jürgen Pfeil von der IHK Niederbayern.

Die Landtags-Grünen halten Faesers Vorstoß sogar für eine reine "Placebo-Maßnahme". Als Beleg reiche ein Blick auf die gestiegenen Migrationszahlen in Bayern – trotz der Kontrollen an der österreichischen Grenze. "Sie haben die Lage nicht einmal entschärft", heißt es von der Fraktion.

Grenzkontrollen für AfD "rein aktionistische Augenwischerei"

Selbst die AfD-Fraktion im Landtag bezeichnet die Grenzkontrollen als "rein aktionistische Augenwischerei". Alle angekündigten Maßnahmen blieben Makulatur, solange Personen mit einem Asylgesuch an der Grenze nicht zurückgewiesen werden können, sagt der AfD-Abgeordnete Richard Graupner. Vor diesem Hintergrund sprach sich CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann für Asylprüfungen in sogenannten Transitzentren direkt an den deutschen Grenzübergängen aus.

Der AfD reicht das nicht. Sie fordert eine juristische Korrektur und eine Obergrenze von "praktisch null". CSU-Chef Markus Söder sprach sich für eine "Integrationsgrenze" von deutschlandweit 200.000 Menschen aus – pro Jahr. Ob Faeser darauf eingeht, dürfte sich spätestens nächstes Jahr vor den Landtagswahlen in Ostdeutschland zeigen – wahrscheinlich je nach Umfragewert der AfD.

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