JVA-Skandal: Der Häftling hätte nicht verbluten müssen

Im Prozess gegen den Nürnberger Gefängnis-Arzt Kurt P. listete ein Gutachter zig Fehler auf. So hätte selbst ein Laie erkennen müssen, wie schlimm es um den suizidalen Simon S. tatsächlich stand...
NÜRNBERG U-Häftling Simon S. (23) wäre nicht verblutet, wenn man sofort den Notarzt alarmiert hätte. Das stellte Gerichtsgutachter Professor Peter Betz im Prozess gegen Gefängnis-Arzt Dr. Kurt P. und Pfleger Ilja S. (23) vor dem Amtsgericht fest. Beide sind wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Der Arzt, weil er in der Nacht telefonisch falsche Anweisungen gab, sein Helfer, weil er versagte.
Wie berichtet, hatte sich Simon S. in Suizidabsicht tiefe Schnitte an den Armen beigebracht und dann den Alarmknopf gedrückt. Um 2.40 Uhr standen zwei Wachleute vor der Zelle. „Sie schauten 20 Minuten durch die Luke“, so Betz, „anstatt sich einen Überblick zu verschaffen. Sogar ich hätte den Notarzt geholt“, meinte Betz. Denn der habe die entsprechende Ausrüstung. Selbst ein Laie hätte erkennen müssen, wie schlecht es Simon S. ging, der schließlich um 3.35 Uhr starb.
Pfleger Ilja S. war weder fähig, den Mann zu beatmen noch eine Infusion zu legen. Er rief erst den Notarzt, als es zu spät war. Der von der Verteidigung bestellte Gegen-Gutachter Professor Hinnerk Wulf (Marburg) erklärte dagegen, dass Simon S. von Anfang an – auch mit schnellem Notarzt-Einsatz – keine Überlebenschance gehabt habe.
Immerhin wurde die Dienstanordnung im Knast geändert. Bei schwerer Erkrankung soll jetzt gleich der Notarzt gerufen werden. Vorher sei es den Wachleuten freigestellt gewesen, so JVA-Chef Hans Welzel. Der Prozess geht weiter. cis