Justizpanne bei GFE-Pleite? Freistaat droht Millionen-Klage

Hat das Amtsgericht womöglich ein wichtiges Schreiben übersehen? Das Landgericht muss das Insolvenzverfahren jetzt noch einmal überprüfen
von  Abendzeitung
Am 30. November durchsuchten Staatsanwaltschaft und Polizei die GFE-Zentrale in der Nürnberger Dieselstraße.
Am 30. November durchsuchten Staatsanwaltschaft und Polizei die GFE-Zentrale in der Nürnberger Dieselstraße. © bayernpress.com

Hat das Amtsgericht womöglich ein wichtiges Schreiben übersehen? Das Landgericht muss das Insolvenzverfahren jetzt noch einmal überprüfen

NÜRNBERG Die Staatsanwaltschaft ist sich ganz sicher: Die Geschäfte der GFE (Gesellschaft für erneuerbare Energie) waren ein einziger gigantischer Betrug. Trotzdem könnte es sein, dass die Justiz von den Eigentümern des Unternehmens kräftig zur Kasse gebeten wird. Grund dafür: Dem Amtsgericht ist möglicherweise eine folgenreiche Panne passiert.

Den Ermittlungen zufolge köderte die GFE zahllose Anleger mit haltlosen Versprechungen. Das Unternehmen behauptete, Mini-Blockheiz-Kraftwerke mit einem ungeahnten Wirkungsgrad produzieren zu können. Zusätzlich wurde den Kunden ein Finanzierungsmodell offeriert, das extrem hohe Gewinne (jährlich 30 Prozent) versprach. Mehr als 1000 Anleger wollten sich die Gans mit den goldenen Eiern nicht entgehen lassen und investierten hohe Beträge zwischen 10.000 und mehreren Hunderttausend Euro. Nach ersten Schätzungen der Staatsanwaltschaft flossen Gelder im „mittleren zweistelligen Millionenbereich“ auf die GFE-Konten. Der größte Teil davon soll verschwunden sein.

Wurde dem Geschäftsführer bereits am 9. Dezember gekündigt?

Am 30. November durchsuchten die Behörden die GFE-Zentrale in der Dieselstraße, sowie die Wohnungen der Geschäftsführer und weiterer Mitarbeiter. Alle Computer, Datenträger und Geschäftsunterlagen wurden beschlagnahmt. Acht leitende Mitarbeiter sitzen seitdem unter dem Verdacht des banden- und gewerbsmäßigen Betrugs in U-Haft. Beschwerden gegen die Inhaftierung wurden vom Gericht zurückgewiesen.

Gleichzeitig mit der Durchsuchung wurden auch die Konten der GFE gepfändet. Das wiederum brachte die GFE, die zu einem verworrenen, von der Schweiz aus dirigiertem Firmengeflecht gehört, in noch größere Turbulenzen. Einer der in U-Haft sitzenden Geschäftsführer zog daraufhin die Notbremse und stellte kurz vor Weihnachten einen Insolvenzantrag. Am 30. Dezember eröffnete das Nürnberger Amtsgericht das vorläufige Insolvenzverfahren und bestimmte einen Anwalt zum Verwalter.

Genau um diesen Vorgang gibt es nun Knatsch, der weitreichende Folgen haben könnte. Die Mutter-Gesellschaft der GFE behauptet nämlich, den Geschäftsführer bereits am 9. Dezember von seinen Aufgaben entbunden zu haben. Auch das Amtsgericht sei davon schriftlich unterrichtet worden – und hätte deshalb dem Insolvenzantrag gar nicht stattgeben dürfen. Träfe das tatsächlich zu, könnte eine Schadensersatzforderung in Millionenhöhe auf den Freistaat zukommen.

Anwälte der GFE haben bereits Beschwerde gegen die Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens eingelegt und für Unruhe im Justizpalast gesorgt. Behördensprecher Thomas Koch erklärte, dass derzeit das Landgericht den Vorgang prüfe, eine Entscheidung aber noch nicht getroffen worden sei.

Helmut Reister

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