Justiz-Irrsinn: Drei Gutachten wegen eines Bagatell-Unfalls!

SCHWABACH - Ein Lkw rammte beim Rangieren einen Opel-Corsa. Der Fahrer wurde freigesprochen, weil er den Aufprall gar nicht wahrnahm
Lkw-Fahrer Werner V. (56) streifte beim Rückwärts-Rangieren einen Pkw, fuhr weiter. Ein Bagatell-Unfall mit rund 2000 Euro Schaden. Doch der Fall schlug hohe Wellen! So wurde der Beifahrer von Werner V., der zu Prozessbeginn als Zeuge aussagte, wegen angeblicher Falschaussage verhaftet und fast vier Wochen ins Gefängnis gesteckt (AZ berichtete).
Gestern dann die Überraschung
Gestern dann die Überraschung: Bei der Fortsetzung der ausgesetzten Skandal-Verhandlung am Amtsgericht Schwabach wurde Werner V. zwar nachgewiesen, dass sein Lkw den Opel Corsa gerammt hatte. Doch er wurde freigesprochen! Man konnte ihm nicht nachweisen, dass er den Anstoß gehört oder bemerkt hatte. Für dieses lapidare Ergebnis benötigte die Staatsanwaltschaft drei sich widersprechende Experten! Die enormen Kosten für das Bagatell-Verfahren trägt jetzt die Staatskasse. Auch muss Werner V. entschädigt werden, weil sein Führerschein vier Wochen eingezogen war. Justiz-Irrsinn!
Beim Rangieren passierte der Unfall
Die Vorgeschichte: Im April 2009 lieferte Speditionsfahrer Werner V. mit seinem Kollegen Stephan S. (47) eine Küche nach Schwabach. Beim Rangieren in eine Einfahrt passierte der Mini-Unfall. Der Fahrer des sieben Meter langen 5,6 Tonners stieß kräftig zurück, denn es ging bergauf. Er erwischte den geparkten, Corsa, verschrammte Außenspiegel und Beifahrertüre.
"Ich habe nichts gemerkt"
Werner V. hätte den Unfall durch Geräusche bemerken müssen, stellte der erste Gutachter fest. Schließlich habe sich der Lkw in den Pkw verhakt. Anhand dieses Gutachtens wurde Werner V. angeklagt. Doch er sagte im ersten Prozess Ende 2008 dasselbe wie gestern: „Ich habe nichts gemerkt.“ Das sagte als Zeuge auch der Beifahrer, der mit im Führerhaus gesessen war. Da er jedoch vor anderen Leuten das Gegenteil behauptet hatte, wurde er wegen Falschaussage inhaftiert – bis das Gutachten des zweiten Sachverständigen vorlag. Der sah keinerlei Übereinstimmung zwischen den aufgefundenen Lackspuren – also konnte es demnach auch keinen Unfall gegeben haben.
Verwirrung pur
Verwirrung pur – die Justiz schaltete einen dritten Sachverständigen ein. Resultat: „Es war 100-prozentig der Lkw, der diesen Schaden verursacht hat“, stellte Michael Eggers gestern fest. „Am schwarzen Corsa sind weiße Lackspuren vom Lkw, dort ist wiederum der Lack vom Auto.“ Das ergaben wissenschaftliche Analysen. Der zweite Gutachter habe schlicht nicht alle Spuren untersucht. Doch auch dem ersten Gutachter unterlief ein Fehler: Die Fahrzeuge hatten sich gar nicht verhakt. So scheint möglich, dass Werner V. den Anstoß nicht mitbekam. Denn in einer Lkw-Kabine ist es sehr laut, wie Eggers beim Selbstversuch feststellte. Was aus dem Verfahren gegen Stephan S. wird, ist nun noch offen. cis