Jüdisches Leben in Bayern

„Bayern sein jüdisches Gesicht zurückgeben“, das ist das Ziel von Ludwig Spaenle. Mit einem umfassenden Programm will er die Verwurzelung von Juden im Freistaat aufzeigen.
Lisa Marie Albrecht |
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"Bayern sein jüdisches Gesicht zurückgeben", das ist das Ziel von Ludwig Spaenle. Mit einem umfassenden Programm will er die Verwurzelung von Juden im Freistaat aufzeigen.

Wer in Deutschland den Begriff Judentum hört, denkt wohl zuallererst an die Shoa. Der Völkermord der Nationalsozialisten sei der "absolute Tiefpunkt" in der deutschen Geschichte gewesen, sagt der bayerische Antisemitismusbeauftragte Ludwig Spaenle (CSU). Auch Bayern und vor allem München als "Hauptstadt der Bewegung" sind eng mit diesem schrecklichen Geschichtskapitel verknüpft.

"Juden haben das Leben in Bayern mitgeprägt" 

Doch die Geschichte des Judentums und des jüdischen Lebens in Bayern und Deutschland reicht viel weiter. "Jüdinnen und Juden haben über viele Jahrhunderte das Leben in Bayern mitgeprägt", sagt Spaenle. "Und sie prägen es auch heute ganz wesentlich mit."

Um diese Verflechtungen deutlich sichtbar zu machen, will der Antisemitismusbeauftragte ein großes Programm in die Wege leiten – und zwar im Jahr 2021. Denn in diesem Jahr nähert sich ein Jubiläum: 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Das Datum basiert laut Staatsregierung auf einem Dekret des Kaisers Konstantin aus dem Jahr 321 nach Jesus Christus, das als frühester Beleg einer jüdischen Gemeinde in Köln gilt. In Bayerns ei jüdisches Leben urkundlich zwar erst ab 981 belegt – nämlich in Regensburg – jedoch geht Spaenle davon aus, dass bereits in der Spätantike Juden im Gebiet des heutigen Bayerns gelebt haben.

Großes Programm mit Landesausstellung geplant

Für das Jubiläumsjahr hat der Antisemitismusbeauftragte sich bereits einiges überlegt, das auch über die Grenzen des Freistaats hinaus Schule machen könnte. Am Montag will Spaenle seine Ideen mit den Beauftragten der übrigen Bundesländer und dem Antisemitismusbeauftragen des Bundes, Felix Klein, besprechen.

Er plant etwa eine Feierstunde mit wichtigen Repräsentanten der Verfassungsorgane wie etwa der Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) oder eine Landesausstellung unter dem Motto "Jüdisches Leben in Bayern – Religion, Gesellschaft und Kultur".

Tage der Offenen Tür bei Israelitischen Kultusgemeinden 

Diese könne man gemeinsam mit Baden-Württemberg vorbereiten. Als Ort ist der Raum Ulm-Neu-Ulm angedacht.

Das ergibt Sinn, da es dort bereits im hohen Mittelalter jüdische Gemeinden gab und ein Großteil der mehreren Hundert jüdischen Gemeinden in Bayern vor allem in Schwaben, Franken und der Oberpfalz lagen.

Zudem soll es Veranstaltungen geben zum Europäischen Tag der jüdischen Kultur am ersten Septembersonntag, Tage der Offenen Tür bei den Israelitischen Kultusgemeinden sowie Kulturveranstaltungen, die in Synagogenbauten stattfinden. Solche Gotteshäuser, die allerdings nicht mehr als solche dienen, finden sich zum Beispiel in Kronach und Sulzbach (Oberpfalz), in Hainsfarth und Fellheim (Schwaben) oder im fränkischen Kitzingen.

Jüdische Archive digitalisieren und Antisemitismus-Prävention

Spaenle will auch ein Großprojekt vorantreiben, das er bereits im Oktober angekündigt hatte: die Digitalisierung jüdischer Archive aus Bayern. Allein im Freistaat wurden mehr als 300 jüdische Gemeinden von den Nationalsozialisten vernichtet, ihre Archive überdauerten die Shoa jedoch und befinden sich heute in Israel. Sie sollen nach und nach digitalisiert werden. Das Projekt für rund eine Million Euro solle, so Spaenle, Bayern und Deutschland "sein jüdisches Gesicht zurückgeben".

Bei allem Ideenreichtum für das bevorstehende Jubiläum zeigt sich Spaenle allerdings auch besorgt angesichts antisemitischer Tendenzen, wie etwa in Frankreich: Dort hat die Zahl antisemitischer Straftaten im vergangenen Jahr um 74 Prozent zugenommen. "Das ist ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das dramatisch zunimmt", sagt er. Auch deshalb wolle er mit seinen Plänen präventiv tätig werden: "Nur dasitzen und warten, bis etwas passiert, ist zu wenig."

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