Jodl-Grab: Ist eine Steinplatte die Lösung?

Chiemsee - Erst vor wenigen Monaten beschäftigte sich der Innenausschuss des Bayerischen Landtags mit dem Familiengrab der Jodls. Anlass war eine Petition des Münchner Aktionskünstler Wolfram Kastner und des Anwalts Jürgen Arnold, die die Entfernung des Grabsteins auf der Fraueninsel im Chiemsee fordern.
Der Grabstein besteht aus drei Teilen in der Form des Eisernen Kreuz. Auf dem mittleren, dem dominierenden Teil, ist der Name Alfred Jodl eingemeißelt, sein militärischer Rang als Generaloberst, sein Geburtsdatum, der 10. Mai 1890, sowie sein Todestag, der 16. Oktober 1946. Dieses Datum liefert einen Hinweis auf das eigentliche Problem.
Jodls Leiche wurde in Münchner Krematorium verbrannt
Am 16. Oktober 1946 wurden die Nazi-Hauptkriegsverbrecher hingerichtet, die von einem Internationalen Militärgericht in den Nürnberger Prozessen zum Tode verurteilt worden waren. Dazu gehörte auch Alfred Jodl, Hitlers wichtigster General. Seine Leiche wie die der anderen Todeskandidaten war in einem Münchner Krematorium verbrannt und die Asche in einem Nebenfluss der Isar verstreut worden. Damit sollten Erinnerungsstätten an Nazis vom Kaliber eines Alfred Jodl verhindert werden.
Nach der Sitzung des Innenausschusses war dessen Vorsitzender Martin Runge (Grüne) davon überzeugt, dass die Tage des Grabsteins gezählt sind. Immerhin konnte er sich auf einen einstimmigen Beschluss über alle Parteigrenzen hinweg berufen.
Mit der Empfehlung des Landtags beschäftigte sich schließlich in der vergangenen Woche der Gemeinderat von Chiemsee in einer nicht-öffentlichen Sitzung. Bürgermeister Armin Krämmer wollte sich nicht zu Details äußern, räumte aber ein, dass eine endgültige Entscheidung noch nicht getroffen worden sei. "Das wird auch noch etwa ein Jahr dauern", erklärte er der AZ.
Der Großneffe des Nazi-Verbrechers lenkt schon ein
Dem Bürgermeister zufolge soll mit dem Grabeigentümer, einem Großneffen des Hitler-Generals, eine einvernehmliche Lösung gefunden werden. Im Streit um das Grab hat es der Jodl-Nachfahre, der es unbedingt erhalten will, auch schon auf eine Auseinandersetzung vor dem Verwaltungsgericht ankommen lassen.
Völlig spurlos ist die Diskussion um das Grab allerdings auch an dem Grabeigentümer nicht vorbeigezogen. Im vergangenen Jahr hat er zwei kleine Lebensbäume vor dem Grabstein pflanzen lassen, um den Namenszug des Nazi-Generals zu verdecken. Und jetzt hat er noch einmal nachgelegt und eine Steinplatte anbringen lassen, die den Namen verdeckt. Ist damit das Problem gelöst?
Karl Freller ist langjähriger CSU-Abgeordneter im Landtag und zugleich Direktor der Stiftung Gedenkstätten, die auch das ehemalige Konzentrationslager Dachau betreut. Seine Begeisterung über den Jodl-Grabstein hält sich in Grenzen. Trotzdem glaubt er, dass die Steinplatte, die alle Daten überdeckt, eine hinnehmbare Lösung sein könnte – und eine Informationstafel auf dem Friedhof.
Martin Runge schließt diese Möglichkeit nicht aus, auch wenn die Entfernung des Grabsteins noch immer sein Ziel sei. Er setzt auf eine einvernehmliche Lösung mit dem Grabeigentümer. "Mit der Brechstange", ist er überzeugt, "muss man hier nicht vorgehen."
Nicht ganz so gelassen betrachtet der Münchner Landtagsabgeordnete Florian von Brunn (SPD) die Diskussion "Wenn ich Sträucher oder eine Steinplatte vor einen Misthaufen stelle, stinkt er noch immer." Für ihn gibt es keine Alternative: "Dieser Grabstein muss weg."
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