Jobmotor Soziales: Jeden Monat 5000 freie Stellen

Allein in Nürnberg betreuen 20.000 Mitarbeiter Kinder, Familien, Behinderte und Alte. Doch es gibt einen Mangel an Fachkräften. Die Verbände fordern mehr Geld für eine bessere Bezahlung
von  Abendzeitung
Jobmotor Sozialwirtschaft: Allein in Nürnberg betreuen rund 20.000 Menschen Senioren, Kinder, Familien und Behinderte.
Jobmotor Sozialwirtschaft: Allein in Nürnberg betreuen rund 20.000 Menschen Senioren, Kinder, Familien und Behinderte. © dpa

Allein in Nürnberg betreuen 20.000 Mitarbeiter Kinder, Familien, Behinderte und Alte. Doch es gibt einen Mangel an Fachkräften. Die Verbände fordern mehr Geld für eine bessere Bezahlung

NÜRNBERG Dieser Jobmotor brummt im Verborgenen: Bayernweit arbeiten gut 300.000 Menschen in der Betreuung von Kindern, Jugendlichen, Familien, Behinderten und Alten. Mehr als im Automobilbau (182.000) oder im Kredit- und Versicherungsgewerbe (215.000). Allein in Nürnberg sind hochgerechnet rund 20.000 Menschen in dieser so genannten Sozialwirtschaft tätig. Und es könnten noch sehr viel mehr sein...

„Wir könnten jeden Monat 5000 neue Mitarbeiter einstellen“, nennt Landes-Caritas-Direktor Karl-Heinz Zerrle eine Zahl für Bayern. Allein um die gesetzlichen Vorgaben für die Betreuung in Kinderkrippen sicherzustellen, müssten bis 2013 mindestens 10.000 zusätzliche Erzieher eingestellt werden, so Diakonie-Präsident Ludwig Markert. Doch: Es gibt zu wenige Arbeitskräfte – und zu wenige staatliche Zuschüsse, um diese ordentlich bezahlen zu können.

Eine Studie der Evangelischen Hochschule in Nürnberg, die deren Präsident Hans Joachim Puch gestern vorstellte, belegt die Wirtschaftskraft der Sozialwirtschaft. „Nur wenige Branchen können auf eine vergleichbare dynamische Entwicklung blicken“, erläuterte er. Während zwischen 1992 und 2007 die Zahl der Erwerbstätigen in Bayern lediglich um 7,5 Prozent stieg, wuchs die Zahl der Jobs in der Sozialwirtschaft um 49 Prozent.

„Die schwierige Arbeit muss besser bezahlt werden!“

Dass sich Investitionen in die Sozialwirtschaft rentieren, zeigt eine weitere Zahl: 50 Prozent des Geldes fließen über Steuern und Sozialbeiträge der Mitarbeiter wieder zurück in die Wirtschaft. Dazu kommt, dass diese Jobs nicht ins Ausland verlagert werden können, also relativ sicher sind. Und: Von 1000 Euro, die ein Pflegeheim kostet, kommen 320 Euro der heimischen Wirtschaft zugute, weil etwa Waren gekauft und Handwerker bezahlt werden müssen.

Diese Studie, so Zerrle, räume mit dem Vorurteil auf, dass „das Geld der Steuer- und Beitragszahler unproduktiv in soziale Einrichtungen hineingebuttert“ werde. Die Arbeit der Erzieher, Pfleger und Sozialpädagogen (zu 74Prozent Frauen) sei nicht nur für Kinder, Familien, Alte und Behinderte notwendig. Sie halte auch die Volkswirtschaft am Leben.

Ein Grund, warum sich nicht mehr Menschen für einen Job in der Sozialwirtschaft interessieren, ist die vergleichsweise schlechte Bezahlung: durchschnittlich 2500 Euro brutto im Monat für eine Erzieherin stehen den 3295 Euro Durchschnittsverdienst in Bayern gegenüber. Für die nächsten Jahre wären Lohnerhöhungen von „fünf bis acht Prozent“ angesagt. Zerrle: „Die schwierige Arbeit muss besser bezahlt werden!“ Dann könnten auch mehr der freien Stellen besetzt werden.

Voraussetzung ist allerdings, dass es künftig mehr Zuschüsse vom Freistaat gibt. Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) hat die Studie bereits bekommen, um beim Finanzminister in den Verhandlungen für den Doppelhaushalt 2011/12 mehr Geld für den Wirtschafts-Motor Sozialwirtschaft rauszuschlagen.

Michael Reiner

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