Jetzt spricht der Auto-Zündler

Sprit-Schock an der Tankstelle: Da wollte Michael N. aus Miltenberg „ein Zeichen setzen“. Weshalb der 30-Jährige seinen eigenen, geliebten 3er BMW anzündete.
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Als Zeichen seiner Wut fackelte Michael N. sein Auto ab.
dpa 2 Als Zeichen seiner Wut fackelte Michael N. sein Auto ab.
Michael N.
abendzeitung 2 Michael N.

FRANKFURT/MILTENBERG - Sprit-Schock an der Tankstelle: Da wollte Michael N. aus Miltenberg „ein Zeichen setzen“. Weshalb der 30-Jährige seinen eigenen, geliebten 3er BMW anzündete.

Dass er für viele ein Held ist, kann Michael N. (30) kaum nachvollziehen. Schließlich hat der Mann aus dem unterfränkischen Miltenberg etwas Wahnsinniges gemacht: Seinen eigenen 3er BMW angezündet. Und das völlig nüchtern. „Ich wollte ein Zeichen setzen“, sagt er. Ein Zeichen für die beispiellose Wut aller Autofahrer in Deutschland angesichts der horrenden Spritpreise.

Es ist ihm gelungen: Am Freitag, 27. Juni, hielt er vor dem Frankfurter Messegelände, zog die Handbremse an, kurbelte die Scheiben runter und warf eine mit Benzin getränkte Rolle Klopapier ins Wageninnere. Das Foto vom brennenden Auto mit der Aufschrift „Spritwucher – www.acidware.de“ ging durch die Welt. Jetzt hat Michael N. viel zu tun: „Ich beantworte die rund 800 Mails, die mir geschrieben wurden. Unter denen sind nur vier, die mich für einen Spinner halten.“

Die Wut sollte sichtbar sein

Zeit dazu hat Michael N. – 23 Tage vor der Aktion hat er seinen Job gekündigt. Der gelernte Groß- und Einzelhandelskaufmann konnte oder wollte sich über 200 Euro Sprit für die 80 Kilometer täglich nach Aschaffenburg nicht mehr leisten – sein BMW braucht 8 Liter Super.

Doch die Wut „vor allem über die hohe Mineralölsteuer von 72,1 Cent pro Liter“, so N., versiegte nicht. Tankboykotte, Drohbriefe an die Regierung – alles sinnlos. Seine Wut sollte weithin sichtbar sein.

Er schmiedete den Plan, sein Auto anzuzünden und zwar in Berlin. „Doch ich habe mich verfahren, so etwas Blödes.“ Er muss lachen. „Ich bin kein guter Navigator, also habe ich mir in Frankfurt den Platz vor der Messe gesucht.“

Dann spulte er ab, was ihm seit Tagen im Kopf wie ein Film ablief: Benzin auf die Sitze, Klopapier anbrennen, Rolle reinwerfen. „Ich dachte, ich sei aufgeregter“, als er sah, wie sein geliebtes Auto in Flammen aufging. „Nach einer Minute waren Polizei und Feuerwehr da.“ Das Protestfeuer loderte nur kurz. „Die Polizei war extrem nett, das hat mich fast erschreckt. Die haben schnell mitgekriegt, dass ich nicht spinne.“ Michael N. durfte die Zelle bald wieder verlassen. Er hatte sich schon auf eine Nacht eingerichtet, Wechsel-Unterhose und Zahnbürste dabei.

"Es musste sein"

Zuhause warteten zig Mails auf ihn, denn viele hatten unter www.acidware.de geklickt – und seinen Protest unterschrieben. „Es kamen sogar noch 500 Euro zusammen, sie mindern meinen Schaden.“ Noch ist nicht klar, weswegen gegen ihn ermittelt wird, umweltrechtliche Bestimmungen kommen in Frage. Im Raum steht auch, dass er den Einsatz der Feuerwehr zahlen muss.

Seine Bilanz: „Ich werde so etwas nicht noch einmal tun. Es war mein Auto, ich mochte es, es war schön – aber es musste sein.“ Noch, so glaubt er, werden auch Proteste wie Petitionen wenig bringen, „deshalb gehen die Steuern nicht runter.“ Aber, da ist er sich sicher, „der Leidensdruck der Autofahrer wird steigen“.

Zu denen gehört er jetzt nicht mehr. Für die Zukunft hat er sich vorgenommen: „Wenn die Mails beantwortet sind, suche ich mir einen Job – den ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Rad erreichen kann.“

S. Will

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